CHAPTER III: 1860-1920


Realismus und Kulturindustrie


TWAIN 1865 

Aus dem Westen eröffnete „Mark Twain“ (Samuel Clemens) 1865 mit einem Sketch namens „The Celebrated Jumping Frog of Calaveras County“ eine lange Reihe von kurzen Skizzen, später gesammelt in Sketches Old and New von 1874. Realismus und Übertreibung mischen sich ebenso wie Narren und Schelme: auch Europa ist voller Betrüger, die sich an den Amerikanern bereichern wollen. Diese wiederum haben bereits ein Auge auf die Sandwich Islands und Hawai geworfen. Twain sucht nicht den einfachen Effekt der Groteske, des Lachens wie bei Poe, sondern unterlegt seinen Skizzen, die frei von Beschreibung zum Erzählen und wieder zurück variieren, fast immer eine soziale oder politische Kritik, die mit zunehmendem Alter schärfer wurde.

Das hebt ihn aus der Reihe lokaler Humoristen – erst jetzt kommt der Ausdruck local color in Umlauf – heraus. Es ist, als ob die fehlende ernste Verarbeitung des Krieges durch journalistische Humoristen geleistet wurde, welche auch als professionelle Vortragskünstler herumreisten und in verschiedenen Dialektrollen die Zeitgeschichte kommentieren, teils naiv ländlich, teils gewitzt und hintergründig. Schalknarren sind sie fast alle: Sam Slick aus Slicksville, der geriebene Yankeehändler, das Sprachrohr von Thomas Chandler Haliburton (1835), „Artemus Ward“ von Charles Farrar Browne, ebenfalls Yankee (1858), trat zeitweise zusammen mit Mark Twain auf, „Petroleum Vesuvius Nasby“ von David Ross Locke stellt einen stroh-dummen Kentucky-Prediger dar, der die Sache des Südens zu verteidigen sucht. „Josh Billing“ stammte von Henry Wheeler Shaw: ein selbsternannter Philosoph aus dem Norden (1865), der sich mehr durch Essays als durch Skizzen auszeichnete. Der einzige namhafte Humorist auf der Südstaatenseite kam aus Georgia und nannte sich „Bill Arp“ (alias Charles Henry Smith).

Fast allen war gemeinsam eine lächerliche Bauernschläue, Orthographie (oder Deklamation), fehlerhafte Grammatik, unlogische Schlüsse, Wortspiele, Idiotismen, missglückte Pointen usw. Ihre historische Bedeutung liegt in einer Annäherung der schriftlichen Literatursprache eines W. Irving oder N. Hawthorne an eine mündliche Tradition der Alltagsprache der Regionen. Einer Verwandlung des Englischen in ein amerikanisches Englisch. Zugleich einen Konflikt zwischen der Literatur aus Neuengland, New York, dem Südwesten und den neuen Territorien im Westen. Die Suche nach einer nationalen Sprache (vernacular) mündete in der Dialektskizze, einer Lokalskizze mit Dialogen (wie bereits in Georgia Scenes 1835) oder mit einem Erzähler im Volkston der Folklore wie D. Crockett (in Sketches 1833). Die Innovationen von Ernest Hemingway oder William Faulkner wäen undenbkbar ohne die dialektiskizze des (19. Der sprachliche Konflikt zwischen den Regionen und mit England findet seine beiden Repräsentanten in Mark Twain und Henry James. (Mencken 19xx).

Was „Mark Twain“ (alias Samuel Clemens) aus dieser Reihe heraushebt, ist die hintergründige und tiefer gelegte Kritik an den USA aller Regionen, wie sie sich nach dem Bürgerkrieg herausbilden. Zugleich schuf er die Grundlagen für einen literarischen Realismus der Nachkriegszeit, Wenden wir uns einigen seiner Skizzen zu und beginnen mit dem gefeierten oder notorischen Springfrosch aus einem Bergarbeiter-Camp. Es geht um eine Wette, welcher Frosch weiter springen kann, eine Parodie des vornehmeren Pferderennens des Südens wie sie in The Spirit of the Times verherrlicht worden waren. Der Veranstalter - nach vielen Lügen - lädt den Frosch des Gegners mit Schrot, und entkommt mit dem Geld, bevor der Betrogene es merkt. Diese Lügengeschichte wird kunstvoll gerahmt von Erzählern, die todernst bleiben und keine Miene verziehen (dead pan). Die Kunst liegt weiter in der genau der lokalen Rede nachgebildeten Sprache bei der Beschreibung:


“‘Now, if you’re ready, set him alongside of Dan’l, with his fore paws just even with Dan’l’s, and I’ll give the word.’ Then he says, One-two-three-git’ and him and the feller touches up the frogs from behind, and the new frog hopped off lively but Dan’l give a heave, and hysted up his shoulders-so-like a Frenchman, but it warn’t no use-he couldn’t budge; he was planted as solid as a church, and he couldn’t no more stir than if he was anchored out. Smiley was a good deal surprised, and he was disgusted too, but he didn’t have no idea what the matter was of course. ..."


Dies ist ein großer Schritt über die Redewiedergabe beim Rosstäuscher in Georgia Scenes von 1835. Twain hatte als Journalist und Vortragskünstler gelernt, die Sprechweisen im Westen und Mittelwesten genau zu beobachten. Er gibt diese genau wieder und benutzt sie auch als Erzähler oder Skizzierer. Er führte das Skizzieren auf einen neuen Höhepunkt und verwischt mehr noch als andere Schriftsteller mündliches und schriftliches Erzählen mit exakter schriftlicher Beschreibung und Sprachmodulierung. Gleichzeitig ist die komische Frosch-Skizze auch eine Parabel auf Wettbewerb und Spektakel.

Durch seine Vortragskunst überführte Twain die Skizze auf die Bühne: der sketch wird zum Skit, einer kurzen komischen Szene, die über das Vaudeville oder Kabarett bis hin zu Radio und Fernsehen wandert. Twain nutzt die Vignette, die extrem kurze Skizze, die dem Lesepublikum viel Raum zum Ergänzen lässt. Damit legt er die Grundlage für die moderne Sketch-Story, die sich nicht nur von Turgenjew und Tschechow herleitet. Nicht zufällig behauptet Ernest Hemingway, die amerikanische Literatur begänne mit Huckleberry Finn. Die Literatursprache der USA im 20. Jahrhundert ist weitgehend von der Sprache des Mittelwestens geprägt. Weder das anglophone Boston, noch das kreolische New Orleans, sondern Chicago und der Mittwesten prägten damals das standard-amerikanische. Und Mark Twain spielte dabei eine herausragende Rolle (Mencken 1919-48) Der Erfolg dieser Lügengeschichte führte zu einer Übersetzung ins Französische, was Clemens veranlasste, diese wieder ins Englische zurück zu übersetzen. Nicht nur um weitere Lacher zu erzielen, sondern um zu verdeutlichen, wie eng der Effekt sowohl von der Rahmen als auch der exakten Wortwahl und Wortfolge herrührt.

Clemens hatte als Journalist Stenographie gelernt und war stolz auf seine genauen Kenntnisse lokaler und regionaler Sprechweisen. Der Aufbau der Spannung ist ähnlich perfekt wie bei Poes Horrorgeschichten, doch Clemens vermeidet die Pointe, stiehlt sich aus der Erzählung wie der Schelm. Kunstvoll ist auch die indirekte Charakerisierung des Erzähler: die Lügengeschichte dient zugleich als Charaktersketch über Simon Wheeler, dem Clemens entkommt, bevor der eine weitere Geschichte auftischt.

Schließlich ist der Zeitpunkt der Veröffentlichung. An keiner Stelle deutet die Geschichte einen Bezug zum Bürgerkrieg, seinen ungleichen Parteien und zur grassierenden Korruption her, aber einige im Lesepublikum (oder im Vortragsraum) mögen daran gedacht haben. In der Buchsammlung der Sketche stellt Clemens in die Nähe der Froschgeschichte die wahre, nur etwas gedehnte Erzählung vom großen Beef-Vertrag, der General Shermans notorischen Gewaltmarsch durch Georgia ermöglichen sollte. Clemens nannte dieses Verfahren stretching (Dehnung) das die Realität wie in einer Zeitlupe vorbeiziehen lässt, Erzählzeit überraschend gegen erzählte Zeit ausspielt.

Die Sammlung der 62 Sketche enthält auch Witze, eigentlich witzige Anekdoten (vom Typ Fontane mit dem Gemüsehändler), groteske Extravaganzas wie bei Poe, ein ironischer Preis auf Franklins Sprichwörter (frei nach Erasmus), ironische Spiegelungen wie bei Voltaire: eine Tierexpedition untersucht in einer menschlichen Stadt nach Spuren für den Ursprung ihrer Arten usw. Twain beherrscht souverän alle möglichen Techniken der Aufklärung und Romantik.

Ein kurzer Charaktersketch, eher eine Vignette, trägt einen Namen; „Johnny Greer“.

Der schwarze Titelheld hat versucht, einen ertrinkenden Jungen aus dem Fluss zu retten, kann ihn aber nur tot bis ans Ufer ziehen, braucht dann aber Hilfe.

Der Schulaufseher erzählt, was er bei der Predigt zur Beerdigung gehört hat. Ein Straßenjunge auf der Kirchenbank vor ihm befragte Johnny über seine Tat:


“‘Towed the carkiss ashore and saved it yo’self?’
“‘Yes.’
“‘Cracky! What did they give you?’
“‘Nothing.’
“‘W-h-a-t [with intense disgust]! D’you know what I’d ‘a’ done? I’d ‘a’ anchored him out in the stream, and said, Five dollars, gents, or you carn’t have yo’ nigger.’”


Schwarzer Humor? Sicher. Treffsichere Sprache, nicht Dialekt. Keine Erzählerintervention. Lass die Sprache sprechen. Twain entwickelte Dialoge in der Skizze weiter, indem er ihnen einen charakteriserenden Subtext unterlegt. Zwei Welten stoßen aufeinander: romantischer Heldenkult gegen Geschäft, Imagination gegen Spektakel. Mit anderen Worten, imaginäre Heldentaten lassen sich vermarkten. Menschen verachtender Rassismus und Geschäft gehören zusammen. Wieder eine doppelte Rahmung der Rede durch den Schulaufseher und die Predigt des Pastors über den kleinen Helden. Dieser Prediger fungiert als das was H. James einen „Reflektor“ nannte: eine fiktionale Figur, welche aber nicht der Erzähler der Geschichte ist, reflektiert den Protagonisten wie ein Mitspieler auf der Bühne (z.B. Shakespeares Expositionen durch Diener am Dramenanfang). Oder ein Bühnenbeleuchter, welcher einen Licht-Spiegel auf die Schauspieler richtet. Wir kommen anlässlich „The Passionate Pilgrim“ darauf zurück. Die Schachtelung ist kurz, aber komplex: der Erzähler reportiert Schulaufseher und Priester. Dem kommt man mit Ich- oder Er-Erzähler nicht mehr bei.

Vielleicht eine weitere Parabel über Nord und Süd in den Staaten. Der Titel suggeriert, dass diese Tat wirklich passiert ist. Jonny Greer gehört zu Melvilles Humanität.

In einem anderen Beispiel aus San Franciso wird Clemens deutlicher. Wieder geht es um Rassismus und Sprache, genauer um Sympathielenkung durch Sprache:

"Disgraceful Persecution of a Boy"

In San Francisco, the other day, “A well-dressed boy, on his way to Sunday-school, was arrested and thrown into the city prison for stoning Chinamen.”

What a commentary is this upon human justice! What sad prominence it gives to our human disposition to tyrannize over the weak! San Francisco has little right to take credit to herself for her treatment of this poor boy. What had the child’s education been? How should he suppose it was wrong to stone a Chinaman? Before we side against him, along with outraged San Francisco, let us give him a chance-let us hear the testimony for the defense.

....


The new form for local items in San Francisco will now be: “The ever-vigilant and efficient officer So-and-so succeeded, yesterday afternoon, in arresting Master Tommy Jones, after a determined resistance,” etc., etc., followed by the customary statistics and final hurrah, with its unconscious sarcasm: “We are happy in being able to state that this is the forty-seventh boy arrested by this gallant officer since the new ordinance went into effect. The most extraordinary activity prevails in the police department. Nothing like it has been seen since we can remember.”


Der Meta-Kommentar – Kommentar der Kommentars – führt zu einem parodistischen Gegenkommentar, ein Tryptichon.

Im Mittelteil der Skizze entwickelt Clemens als fiktiver Verteidiger die rassistischen Verhältnisse, die so etwas bei Kindern in San Franciso möglich machen, und die Komplizität der Presse mit dem Jungen (well-dressed, Sunday school). Dem Lob der Polizei gegen Schluss der Skizze unterliegen dieselben Verhältnisse in der Stadt. Auch Presse ist ein Geschäft mit der Imagination und den Emotionen des Lesepublikums. Kunstvoll mischt Twain drei Sprachregister und legt deren Verfahren offen. Diese beiden Skizzen haben sich weit vom Lokalkolorit der Vorkriegsjahre entfernt. Twain war wie Melville Humanist.

Hier weitere Beispiele aus der Reihe von 62 Skizzen, welche unterstreichen, worum es Clemens ging.

Das Geschäft mit der Imagination: Parodie einer Anzeige vom Zirkus Barnum, der zu einer bezahlten Kometenreise durch das Weltall einlädt (organisierter Tourismus). Ein Ausflug zu den spektakulären Niagarafällen, wo er auf Iren stößt, die als Indianer verkleidet sind und Glasperlen als Handarbeit verkaufen. Ein biblisches Panorama, dessen Musikbegleitung nicht Schritt hält mit der abrollenden Leinwand, so dass bei der Parabel vom Verlorenen Sohn das Kriegslied erklingt „When Johnny Comes Marching Home“. Ein Leserangebot, Puerto Rico zu kaufen, da die USA doch schon dabei sei, Inseln wie Hawai zu kaufen.

Oder Literatur als Geschäft mit der Imagination: Eine Parodie auf einer Mittelalter-Romanze à la Walter Scott, auf eine Geistergeschichte (ein Geist klagt über die vielen Plagiate), eine Zeitungsente als Mystifikation (der Verantwortliche war betrunken).

Das mit Scott hatte auch eine politische Seite. In einer berühmten Attacke in Life on the Mississippi (1883) identifizierte Twain die Romanzen von Scott als Teil der romantischen Reaktion auf die Französische Revolution. Das habe fatale Folgen für die Südstaaten gehabt:


It was Sir Walter that made every gentleman in the South a major or a colonel, or a general or a judge, before the war; it was he, also, that made these gentlemen value these bogus decorations. For it was he that created rank and caste down there, and also reverence for rank and caste, and pride and pleasure in them. Enough is laid on slavery, without fathering upon it these creations and contriutions of Sir Walter. Sir Walter had so large a hand in making Southern character, as it existed before the war, that he is in great measure responsible for the war.


Das war kaum übertrieben. Das “Esquire“ von Geoffrey Crayon aus New York ging ebenso auf Scott zurück wie der „Colonel“ Sartoris aus Misssippi. Scott begründete in den USA eine Gentleman-Tradition für die Oberschichten in Boston, Philadelphia und New York. In der Sketch-Story werden sie Henry James und Edith Wharton bis in 20c fortsetzen. „Gentle“ in allen seinen Ableitungen bleiben Schlüsselwörter in ihren Texten. „Gentility“ blieb eng an Sitten (manner) und Gebräuche (customs) gebunden, deren Einhaltung der strengen Beobachtung der Leserschaft unterworfen wird. Sie wie die Möbeleinrichtung der Wohnzimmer symbolisieren Rang und Kaste. Sie schließen Dilettanten und vulgäre Neureiche aus. Edith Wharton, New Yorker Oberschicht, bietet viele Beispiele dafür, wie wir sehen werden. So sollten Twains Angriffe auf Scott und seinen US Nachahmer James Fenimore Cooper nicht nur den Weg für mehr Realismus im Süden freimachen. Auch einen für mehr Demokratie.

Falsche Presse-Sensationen (also in der Nachfolge von Poes Irreführungen (hoaxes): Kannibalismus im Eisenbahn Abteil (als Satire auf Senatoren), der Versteinerte Mann, der Riese aus Cardiff (beides Fälschungen in sogenannten „Museen“ wie dem von Barnum in New York), die Ermordung von Julius Caesar im Zeitungsstil von heute (Travestie), das Feiern von Mördern als Helden. Spektakel macht Alles zur Ware.

Auch Charakter wird zum Geschäft: Patriotismus, Hochstapler, ein Chinese, der als lebende Reklame vor einem Geschäft sitzt. Ein Bestatter, der beim Gespräch seine Leichen im Sarg vor ihm tätschelt, ein Hundert Jahre alter Mann, dem von der Zeitung nur dieser einzige Charakterzug verliehen wird, ein Politiker dessen Charakter öffentlich ruiniert wird, ein Taschendieb als Priester: Täuschung überall. Man lacht, ist gewarnt, und beginnt die Zusammenhänge zu verstehen. Soziale Beziehungen verdinglichen sich, Austausch wird ein Geschäft.

Schließlich noch Politik und Justiz als Geschäft: Kriegsgewinnler und General Sherman, Senatsausschüsse, bezahlte Richter, Senatssekretär.

Hinter diesen Scherzen und Satiren liegt ein tieferer Befund. Nicht nur sind die Versatzstücke eines überlebten Romantizismus zum Geschäft geworden. Der Handel mit Imagination durch Geschäftsleute verändert zutiefst die menschlichen Beziehungen untereinander (Hochstapler), zur Arbeit (Chinese), zum Tod (Bestatter), zur Politik (Sherman) und ihr Verständnis über sich selbst. Hinter allem stehen Korruption: der sich verschärfende Konkurrenzkapitalismus, die Anfänge einer Kulturindustrie und die Expansion der USA über die Meere hinaus. Insel-Imperialismus, Chinesen in Kalifornien, Zeitungsenten, Heldentum und Korruption – Vieles hängt durch ein Netz von Täuschungen zusammen.

Der Höhepunkt der Sammlung ist zweifellos „A True Story“ die gleichzeitig einen weiteren Meilenstein in der Entwicklung des Charakter-Sketches bildet. Twain lässt in dieser Geschichte eine ehemalige Sklavin die Wiederbegegnung mit ihrem verlorenen Sohn, der als Union-Soldat aus dem Bürgerkrieg heimkehrt, selbst erzählen. Es geht also um eine Wiedererkennungszene, die schon Aristoteles den Dramatikern als besonders rührend ans Herz gelegt hatte. Gleichzeitig dient die Geschichte als Parabel über die Wiedervereinigung nach dem Bürgerkrieg und unterstreicht den Beitrag schwarzer Soldaten bei der Befreiung von der Sklaverei. Drittens dient die Wahrheitsbeteuerung hier nicht einer ironischen List und die Sprache nicht dem Humor der Lokalkoloristen: die Geschichte ist wortwörtlich von der Mutter so im Beisein von Twain erzählt worden. Twain stenographierte nur. Aunt Rachel, seine Dienerin, charakterisiert sich selbst durch die Weise wie sie das traditionelle Muster der Wiedererkennungszene darbietet.

Hier ist der Höhepunkt, zugleich das Ende ihrer Erzählung.


“Dis was ‘bout one o’clock in de mawnin’. Well, ‘bout seven, I was up an’ on han’, gittin’ de officers’ breakfast. I was a-stoopin’ down by de stove—jist so, same as if yo’ foot was de stove—an’ I’d opened de stove do’ wid my right han’—so, pushin’ it back, jist as I pushes yo’ foot—an’ I’d jist got de pan o’ hot biscuits in my han’ an’ was ‘bout to raise up, when I see a black face come aroun’ under mine, an’ de eyes a-lookin’ up into mine, jist as I’s a-lookin’ up clost under yo’ face now; an’ I jist stopped right dah, an’ never budged! jist gazed an’ gazed so; an’ de pan begin to tremble, an’ all of a sudden I knowed! De pan drop’ on de flo’ an’ I grab his lef’ han’ an’ shove back his sleeve—jist so, as I’s doin’ to you—an’ den I goes for his forehead an’ push de hair back so, an’ ‘Boy!’ I says, ‘if you an’t my Henry, what is you doin’ wid dis welt on yo’ wris’ an’ dat sk-yar on yo’ forehead? De Lord God ob heaven be praise’, I got my own ag’in!’

“Oh no’ Misto C———, I hain’t had no trouble. An’ no joy!”

Das ist weit weg vom professionellen Humor der Propagandisten aus dem Norden oder Süden. Dies ist ein berührender Erzählvorgang und enthält einen Appell an ihren Arbeitgeber („Misto Clemens“) genau hinzuhören und zu fühlen wie sie. Auch wie sie vor der Vereinigung mit ihrem Sohn mit den schwarzen Offizieren, die das Herrenhaus belegt hatten umgeht, charakterisiert Rachel als Mutter, Hausherrin, ehemalige Sklavin und Köchin. Sie stellt Gleichheit her. Sie nimmt Faulkners Heldin Dilsey vorweg. Child, Stowe und Alcott hatten mit ihren Interviews hier vorgearbeitet.

Die Geschichte ist zugleich ein Protyp des Interviews, das den traditionellen Charaktersketch, wie wir ihn ab dem Spectator kennengelernt haben, allmählich ersetzen sollte. Auch diese Form, die andeutungsweise schon bei Hawthorne auftauchte („The Village Uncle“ 1835) sollte von der Zeitung ins Radio und Fernsehen wandern.

„A True Story“ hat eine Gegenstück aus dem selben Jahr: „Sociable Jimmy“ (1874). Ein 10 jähriger schwarzer Junge erzählt Twain etwas über den Wirt und dessen große Familie. Diesmal ein Doppelportrait, indem Jimmy Bill charakterisiert, charakterisiert er sich selbst:


He did not tell me a single remarkable thing, or one that was worth remembering; and yet he was himself so interested in his small marvels, and they flowed so naturally and comfortably from his lips that his talk got the upper hand of my interst, too, and I listened as one who receives a revelation.


Twain erinnert uns daran, dass der Ton mehr tut als eine gut konstruierte Geschichte mit außergewöhnlichen oder wunderbaren Eriegnissen zu beleuchten: er stellt eine soziale Beziehung zum Publikum her (Jimmy erhält von Twain Sympathie und ein kleines Trinkgeld). Was wir bei Poes manischen Erzählern oft vergessen spielen sich in Doppelportraits wie „Ligeia“ soziale Beziehungen ja auf zwei Ebenen ab: vordergründig die eheliche Dreiecksgeschichte der Undine, hintergründig das zweideutige Werben des Erzählers um unsere Sympathie. Beide Ebenen dialogisieren miteinander, begleiten sich harmonisch oder strittig. Bei Jimmy verlagert sich die mündliche Erzählung über alltägliche Familienbeziehungen in eine Dramatisierung einer kindlich beschränkten Wahrnehmung von Erwachsenen in dessen eigenartige Sprechweise (Yes, indeedy!), die sich mit dem erwachsenen Zuhörer Twain auf eine Stufe stellt. „Sociable Jimmy“ ist eine Vorstudie zu Huckleberry Finn, mit dem die Linie von Sketch-Stories aus kindlicher Sicht von H. James und A. Bierce bis hin zu W. Faulkner und J. Salinger und C. McCullers läuft. Mit „Sociable Jimmy“ und „A True Story“ von 1874 hält ein neuer Realismus Einzug in die Sketch-Story. Alter, Klasse, Geschlecht und Ehtnie treten in komplexe Interaktionen ein und führen zu Humanität. Gleichheit.

Zugleich erlaubt die parabelhafte Anlage vieler Skizzen, wo sie über die einfache Parodie von überlebten Denk- und Erzählmuster hinausgehen, aus heutiger Sicht Vieles zu erkennen, was Clemens und Warner im Romantitel The Gilded Age (1873) benannt haben und was Clemens ab den 1890er Jahren zunehmend in die Verbitterung und Anklage gegen Kapitalismus und Imperialismus geführt hat. Eindeutig nahm er in den Skizzen Partei für die Machtlosen und verleiht ihnen eine Stimme. (Der Band musste zunächst in Subskription veröffentlicht werden).

Der bittere Unterton bei Rachel und Jimmy hebt Twain schon früh aus der Reihe der professionellen Humoristen und Schalknarren aus der Bürgerkriegszeit heraus.

Die Gründe dafür sind nicht schwer zu finden. Sie liegen in der Westexpansion selbst. In Sketches Old and New fehlen die Lokal- und auch die Charakterskizzen wie sie seit Irving und The Spectator zu festen Bestandteilen der Zeitschriften und zunehmend auch von Zeitungen geworden waren.

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James 1875

Henry James, Bruder des Philosophen William James (bei dem Gertrude Stein studierte), verließ die USA 1866 und machte London zu seinem Wohnsicht. Er stammte aus der Oberschicht in New York und verkehrte in London in gr0ßbürgerlichen und adligen Familien. Er war entschieden anglophil, lehnte die Erweiterung der amerikanischen Literatursprache ab. Der Kontrast zu Mark Twain könnte kaum größer sein. Und doch vereinte sie etwas über die vermittelnde Rolle von Howells hinaus: beide waren Realisten, beide setzten am Dialog, beim gesprochenen Wort an. Und beide beobachteten, wie sich die menschlichen Beziehungen unter dem Kapitalismus veränderten. Doch die Wege dahin waren entgegengesetzt: Twain entwickelte einen sozialen Realismus, James tat entsprechendes für den psychologischen Realismus.

Wie bei Twain dauert die schriftstellerische Laufbahn sehr lang: von 1865 bis 1910. Doch Twain überwand die Scottschen Romanzen, wie sie weiter nach dem Bürgerkrieg im Süden der USA florierten, schon um 1870; James brauchte bis in die 1880er Jahre, um seine neuen Erzählverfahren zu perfektionierten. Man kann seine Entwicklung in drei Phasen teilen: eine ungewöhnlich lange Lehrzeit von 1864 bis 1890, die außerordentlich fruchtbare mittlere Phase von 1890 bis 1900, genauer bis 1898, und die späte Phase bis 1910 in denen seine drei größten Romane und seine Reflektionen über Erzählkunst (in den Vorwörtern zu seiner New Yorker Gesamtausgabe) erschienen. Beide Phasen haben nachhaltig den Realismus in den USA bis in das letzte Drittel des 20c geprägt, nicht zuletzt durch die akademische Konsekration, welche seine Thesen im New Criticism und darüber hinaus, erfuhren. Sein Textausstoß war immens: 22 Romane, 112 meist umfangreiche Geschichten (50.000 Wörter), mehrere Dramen, Reisebücher voller Skizzen, Essay- und Brief-Sammlungen, dazu kam Journalismus.

Eine erste Sammlung seiner Schriften (1883) umfasste bereits 14, die New York Ausgabe 24 Bände. Sie verkaufte sich schlecht. Die digitale Ausgabe seiner Werke, die man gratis aus dem Internet herunter laden kann, zählt Millionen von Wörtern. Von den Geschichten blieben nur etwa ein Dutzend unter 45 Seiten. Die meisten sind Novellen oder Kurzromane. Auffallend und stilbildend wurden die Kapiteleinteilungen. James plante seine Geschichten in szenischen Blöcken – vier, sechs, 12 – die untereinander in komplexe Beziehungen eintraten. Das übertrug er vom Drama auf Novellen, aber auch auf seine Sketch-Stories, Kurzporträts von Charakteren. Bei Gertrude Stein und William Faulkner wird diese Bauweise wieder auftauchen. Poe und Melville waren Vorläufer dieser Szenarien.

Die meisten Geschichten gehören zur Gentleman Tradition: der vornehme Landadel als Vorbild des Bürgertums über das Mittelglied des Gutbesitzers (gentry) nach englischem Vorbild. Landbesitz und Pächter hoben sich in Ausbeutung vorteilhaft von Fabrikbesitzern und Arbeitern ab. Der Übergang von Agrarianismus zum Industrialismus fand eine ideologische, organische Brücke zum Kapitalismus. In England wurde das Gutsherrn-System (country house) oft als agraischer Kapitalimsus verklärt (Williams 1975, 121-48, 297-315). Ein frühes Beispiel nach Scottscher Manier waren die Weihnachtsgeschichten von Irving in The Sketchbook (1820). In den USA verschwand dieses System mit dem Erstgeborenrecht und dem Bürgerkrieg.

Von Kurzgeschichten im Sinne von Poe and Matthews – Lesen in einer Sitzung – kann man bei James kaum sprechen. Er brauchte Platz, viele Wörter, um das zu fassen, worauf es ihm ankam. Er brauchte Kapitel, vier zumindest, um seinen Plan zun entwickeln. Je langsamer, desto besser (Subtext, Suspension, Erzählzeit).

James fiel es schwer, sich aus der Romanzen-Tradition seiner Vorgänger, insbesonders von Hawthorne heraus zu arbeiten. Schon die Titel der frühen Geschichten, heute meist zu Recht vergessen, verraten ihr Programm: „A Tragedy of Error“ (1864, über den Bürgerkrieg), „The Romance of Certain old Clothes“ (1868), „De Grey: A Romance“ (1868), „Gabrielle De Bergerac“ (1869), „The Last of the Valerii“ (1874), „Mme. De Mauves“ (1874), „Guest’s Confession“ (1872), bis hin zu „Lady Barberina“ (1884).

Das war die vornehme Tradition: Landbesitz adelt. Bürger werden zu Gentlemen. James glaubte zunächst daran. Die Gentleman Tradition zeigte sich durch bestimmte Schlüsselwörter an: adliger Titel, auch bürgerliche Figuren, vornehme Damen. Romanzen zwischen ihnen oder genealogische Anspielung (wie bei W. Scott, oder europäische Ortsbestimmungen, die Gutsbesitzer andeuten). Trotz der Andeutung in einigen der Titel, dass James sich den realistischen Verfahren von G. Flaubert und I. Turgenjew anzunähern versuchte, bleiben diese Geschichten weit hinter Mme Bovary (1857) oder Aufzeichungen eines Jägers (1852) zurück. Selbst sein erstes Meisterwerk im Roman Portrait of a Lady (1881) verdankte immmer noch mehr Hawthorne’s Scarlet Letter (1850) als Flaubert. Das Ehebruchthema blieb in den US Zeitschriften lange tabu. Andere Gründe für James, an seinem großen Vorbild solange fest zu halten, finden sich in seinem literarischen Portrait von Hawthorne (1879).

Seine erste „Kurzgeschichten“ Sammlung von 1875 kündigt einen literarischen Wandel an. Die bekannte Titelgeschichte aus dem Jahr 1871 „A Passionate Pilgrim“ zeigt, wohin der psychologische Realismus von James steuerte.

Der Erzähler trifft in London, dann wieder bei der Besichtigung von Hampton Court auf einen Amerikaner, der sich eine (Teil-) Erbschaft an einem Herrenhaus in Middleshire erhofft hatte. Der Erzähler freundet sich an und ermuntert Searle, das Herrenhaus zu besichtigen, um mit dessem entfernten Vetter zu sprechen. Im dritten Teil spitzt sich die Handlung melodramatisch zu: die naive zukünftige Erbin des Hauses verliebt sich in ihren entfernten Vetter, ihr Bruder stößt aus London dazu und zeigt ihnen das prächtig mit Gemälden ausgestatte Haus (was Anlass für einige Erzählungen über die Vorfahren der Searles gibt) und konfrontiert dann den Besucher mit dem Vorwurf, ein amerikanischer Erbschleicher zu sein, und droht ihm mit einem vernichtenden Prozess. Schock. Der letze Teil spielt in Oxford, Monate später, an der Universität, wo der verarmte und fast völlig wahnsinnig gewordene Searle (er hatte eine nächtliche Geistererscheinung) versucht, mit den Studenten und einem verelendeten Bettler Freundschaft zu schließen. Er will in England sterben, auf keinen Fall in die USA zurückkehren. An seinem Totenbette erscheint ihm seine Kusine: ihr Bruder ist verunglückt, sie ist Alleinerbin des Hauses, bietet ihm noch mal die Ehe an. Zu spät, er stirbt vor ihren Augen. Der Erzähler verkauft dem Bettler aus Oxford die letzten Goldstücke von Searle, die eine Ausreise in die USA, vielleicht mit besserem Erfolg, ermöglichen sollen.

Die Geschichte ist völlig überladen, melodramatisch in Szenen und vier Schauplätze aufgeteilt. Die schrittweise Enthüllung des Charakters vollzieht sich sprungweise und voraussagbar, die durchsichtige Liebesgeschichte, die beiden sentimentalen Bettler – eine beliebte Genrefigur - die überlangen und überschwänglichen Schilderungen der Schauplätze, das Herrenhaus mit seiner Bildergalerie – all das deutet eher auf einen Roman unter Scottschem Einfluss (etwa The House of the Seven Gables. A Romance 1851) als eine Kurzgeschichte (120 Seiten, 4 Kapitel) hin. Dass der unglückliche Searle auch noch Opium nimmt, dass ihm ein Bild aus dem Hause als Geist erscheint und die zahlreichen Doppelgänger (die Searle auch als solche erkennt) deuten eher auf Poe. Eine Anfänger-Story, um Eindruck zu machen, wie James später selbst zugab.

Dennoch: im geschichtlichen Wandel stellt dies eine wichtige Umbruchstelle zum Realismus, auch psychologischer Art. Da ist zunächst der Titel, der „Pilger“ stellt den Text in die Reihe von Chaucer – Shakespeare - Bunyan - Hawthorne: der symbolische Bezug kommt nur einmal im Text auf (clue, Technik des versteckten Winks bei Poe, Hawthorne und Melville):

We were as conscious one as the other of that deeper mystic appeal made by London to those superstitious pilgrims who feel it the mother-city of their race, the distributing heart of their traditional life. 

Der Erzähler variiert das „Passionate” im Titel durch “superstitious”, kaum eine treffende Bezeichnung für einen depressiven Geisteskranken unter Opium-
 Einfluss. „Pilgrim“ wird zum Plural: das deutet das auf eine weitere Verdopplung hin. Ist der Erzähler vielleicht ein weiterer Pilger, ein dritter Doppelgänger von Searle? „One as the other“?

Diese Vermutung stützen die eingelegten Lokalskizzen in den vier Kapiteln, welche viel über die Vermischung von Skizze und Erzählung enthüllen, wie sie sich seit Irvings Skizzenbuch von 1820 durchgesetzt hatte. Jeder Schauplatz erfährt eine gefärbte ausführliche Skizzierung, doch die Skizzen symbolisieren die soziale Situation der Figuren: die engen Nischen im Pub „Red Lion“ in London (1), die etwas herunter gekommenen Säle in Hampton Court mit ihren Gemälden und das herrliche Dorf in Middleshire (2), die Interieurs und Gemälde des Herrenhauses bei Kerzenschein (3) und die prächtigen Colleges in Oxford, Sinnbild bester Traditionen in England (4). James legt sehr viel Sorgfalt in die Skizzen, wobei (1) und (2) mit (3) und (4) kontrastieren. Hier die Skizze des Erzählers vom herrschaftlichen Dorf in Middleshire, der Gipfel aller Sehnsucht von Searle, dem Pilger:

the little village, nestling between park and palace, around a patch of turfy common, with its taverns of figurative names, its ivy-towered church, its mossy roofs, looked like the property of a feudal lord. It was in vthis dark composite light that I had read the British classics; it was this mild moist air that had blown from the pages of the poets; The region I allude to is a compendium of the general physiognomy of England. The noble friendliness of the scenery, its latent old-friendliness, the way we scarcely knew whether we were looking at it for the first or the last time, made it arrest us at every step. The countryside, in the full warm rains of the last of April, had burst into sudden perfect spring. The dark walls of the hedgerows had turned into blooming screens, the sodden verdure of lawn and meadow been washed over with a lighter brush. [We went forth without loss of time for a long walk on the great grassy hills, smooth arrested central billows of some primitive upheaval, from the summits of which you find half England unrolled at your feet. A dozen broad counties, within the scope of your vision, commingle their green exhalations. Closely beneath us lay the dark rich hedgy flats and the copse-chequered slopes, white with the blossom of apples. At widely opposite points of the expanse two great towers of cathedrals rose sharply out of a reddish blur of habitation, taking the mild English light.

[It stands there in stubborn picturesqueness, doggedly submitting to be pointed out and sketched. It is a wonderful image of the domiciliary conditions of the past—cruelly complete; with bended beams and joists, beneath the burden of gables, that seem to ache and groan with memories and regrets.

The short low windows, where lead and glass combine equally to create an inward gloom, retain their opacity as a part of the primitive idea of defence. Such an old house provokes on the part of an American a luxury of respect. So propped and patched, so tinkered with clumsy tenderness, clustered so richly about its central English sturdiness, its oaken vertebrations, so humanised with ages of use and touches of beneficent affection, it seemed to offer to our grateful eyes a small rude symbol of the great English social order.] Passing out upon the highroad, we came to the common browsing-patch, the "village-green" of the tales of our youth. Nothing was absent: the shaggy mouse-coloured donkey, nosing the turf with his mild and huge proboscis, the geese, the old woman--THE old woman, in person, with her red cloak and her black bonnet, frilled about the face and double-frilled beside her decent placid cheeks--the towering ploughman with his white smock-frock puckered on chest and back, his short corduroys, his mighty calves, his big red rural face. We greeted these things as children greet the loved pictures in a storybook lost and mourned and found again. We recognised them as one recognises the handwriting on letter-backs. Beside the road we saw a ploughboy straddle whistling on a stile, and he had the merit of being not only a ploughboy but a Gainsborough.

Und noch ein literarischer Tupfer:

We walked over some seven miles, to the nearer of the two neighbouring seats of that lesson; and all through such a mist of local colour that we felt ourselves a pair of Smollett's pedestrian heroes faring tavernward for a night of adventures. As we neared the provincial city we saw the steepled mass of the cathedral, long and high, rise far into the cloud-freckled blue; and as we got closer stopped on a bridge and looked down at the reflexion of the solid minster in a yellow stream. Going further yet we entered the russet town--where surely Miss Austen's heroines, in chariots and curricles, must often have come a-shopping for their sandals and mittens; we lounged in the grassed and gravelled precinct and gazed insatiably at that most soul-soothing sight, the waning wasting afternoon light, the visible ether that feels the voices of the chimes cling far aloft to the quiet sides of the cathedral-tower …

Lokalkolorit vom Feinsten. Abenteuer findet imaginär in der Taverne statt. James machte ausführlichen Gebrauch von Skizzenbüchern, die er bei seinen Erkundungen vor Ort füllte. Hier überhöht der auktoriale Erzähler Searles Sichtweise – mit seinem „literary eye“, aber beide verschmelzen im „Wir“ seines Diskurses. Mit anderen Worten, die Skizzen legen die Sehweise der Charaktere (wie schon die von Ichabod Crane im „Sleepy Hollow“) offen. Sie sehen England durch „Brille“ ihrer Lektüren oder Kinderbücher mit Illustrationen über idyllische Dörfer. Zu Austen (wie bei Mitford) und Gainsborough treten andere Skizzen und Gemälde. Dasselbe passiert in Hampton Court und sogar im Shakespearean Pub in London. Wohl eine Reminiszenz an Irvings Skizze. Höhepunkt bildet der vierte Teil mit der Glorifizierung von Oxford University, die wie Lackley Park die soziale Ordnung Englands über alle Jahrhunderte hinweg symbolisieren soll. Störend ist nur, dass einer der Studierenden auf dem Rasen vor dem College ausgerechnet einen Text von Artemus Ward liest, ein Seitenhieb auf die sich auf Twains Seite vollziehende Demokratisierung von Sprache und Literatur. Wieder ein Wink.

Das führt zur Sprache in den Dialogen. „The Passionate Pilgrim“ beginnt mit einer durchweg realistisch geführten Konversation zwischen Searle und seinem jüdischen Anwalt, beides US Bürger aber in deutlich abgesetztem Vokabular, vulgär, zupackend, berechnend auf der Seite von Abijah Simmons, sensibel, ausweichend, selbstmitleidig dazu beim Pilger Searle. Ähnliches wiederholt sich in Kapitel (3): die romantisch verklärende Skizzierung des Herrenhaus kontrastiert scharf mit den abweisenden Worten des Hausbesitzers: er bezichtigt seinen amerikanischen „Vetter“ schlicht der Erbschleicherei. Die dazu eingestellte Liebeszene im Mondschein auf der Terasse verdeckt nur unzureichend das ausgesprochene Interesse (des Erzählers) durch Eroberung der naiven Erbin an das Haus zu kommen. („The Sleeping Beauty was awake“). Dem Widerspruch zwischen Dialogen, Erzählerkommentaren und Lokalskizzen unterliegt ein handfester Konflikt um Eigentum, hier domestiziert durch Erbschleicherei. Ökonomische Interessen zersetzen die Familienbande (Ein Lieblingsthema auch bei Mark Twain).

Ein weiteres Indiz für Realismus. Schon im Pub wechselt der Erzähler den Sitzpunkt aus der Nische zum Kamin, um das, was er durch die dünne Trennwand überhört hatte, genauer zu beobachten. Er versteckt sich hinter einer Zeitung zur „abgeschirmten Beobachtung“ (screened observation). Diese wird zu einem zentralen Verfahren von James in den späteren Geschichten bis hin zu dem virtuosen multifokalen Erzählverfahren in den drei großen Romanen nach 1902. Seine Lokalskizzen stehen in scharfem Kontrast zu der Charakterskizze, welche den Pilger Searle einführt (1):


He was a man of something less than middle age and more than middle stature, though indeed you would have called him neither young nor tall. He was chiefly remarkable for his emphasised leanness. His hair, very thin on the summit of his head, was dark short and fine. His eye was of a pale turbid grey, unsuited, perhaps, to his dark hair and well-drawn brows, but not altogether out of harmony with his colourless bilious complexion. His nose was aquiline and delicate; beneath it his moustache languished much rather than bristled. His mouth and chin were negative, or at the most provisional; not vulgar, doubtless, but ineffectually refined. A cold fatal gentlemanly weakness was expressed indeed in his attenuated person. His eye was restless and deprecating; his whole physiognomy, his manner of shifting his weight from foot to foot, the spiritless droop of his head, told of exhausted intentions, of a will relaxed. His dress was neat and "toned down"--he might have been in mourning. I made up my mind on three points: he was a bachelor, he was out of health, he was not indigenous to the soil. The waiter approached him, and they conversed in accents barely audible. I heard the words "claret," "sherry" with a tentative inflexion, and finally "beer" with its last letter changed to "ah."


Klinisch, hart, professionell und ganz ohne Jane Austen oder Gainsborough. Die Adjektive stufen den Charakter ein: seine Klasse, sein Gesundheitszustand, seine Hilflosigkeit, den Junggesellenstatus. Gesicht, Augen, Mund, Kleidung, Aussprache – eine Physiognomie. Der Erzähler charakterisiert sein zukünftiges Opfer, an das er sich heften wird. Denn diese Widersprüche zwischen den Worten und Taten des Erzählers machen die Geschichte möglicherweise zu einer Arabeske, einer Kippfigur. Entweder wir vertrauen dem Gesichtspunkt (point of view) des Erzählers oder wir bezweifeln, was er uns anbietet. Ist der Erzähler, ein Amerikaner, ein Beobachter, der in London seinen Geschäften nachgeht, ein vertrauenswürdiger Erzähler, ein (immer wieder beteuerter) „Freund“ von Searle oder nicht? Abijah?

Hier die Taten: das sorgfältige Ausspähen von Searle am ersten Tag, das zufällige Treffen in Hampton Court, das zur spontanen Freundschaft mit Searle führt (der Erzähler imitiert den freundschaftlichen Schultergriff, den schon der Anwalt im Pub angewendet hatte), der Vorschlag, das Haus doch einfach mal zu besuchen, die Visitenkarte, die er Miss Searle überreichen lässt, auf die er den Familien-Namen seines Freundes einträgt, den Vorschlag, die naive Miss Searle zu erobern, die abrupte Flucht, als sie der Erbschleicherei bezichtigt werden. Als Krönung berechnet er den Nachlass an Gold von Searle, um den verarmten Ransom mit einer Spende auszuzahlen. (Den Wert des Nachlasses kennen wir aus einer früheren Einlassung von Searle selbst). Schließlich: ist nicht der Titel der Geschichte selbst eine Täuschung des Lesers: Passionate? Ein Leidender? Ein Pilger? Zweifel kommen auf, spätestens am Ende der Geschichte, als der Erzähler den Schmuck einstreicht.

Hinter der sentimentalen Geschichte eines depressiven Heimsuchers aus den USA in England, stände so eine Kippgeschichte wie „A Man in the Crowd“, „Wakefield“ oder „Bartleby“. Die Geschichte lädt uns ein, den Erzähler vom Beobachter zu trennen und den Beobachter unsererseits zu beobachten, seine Taten gegen seine Gedanken auszuspielen. Das ist ein folgenreicher Schritt von der mündlichn Erzählung (mindestens vier mündliche Erzähler treten in der Geschichte auf, nur der Haupterzähler lässt uns fast Nichts über sich erfahren) zur geschriebenen Story: wir können sie rekapitulierend wie eine Zeugenaussage überprüfen. Wir sollen die Indizien selbst zusammentragen. Die raffinierte Technik ist ganz auf der Höhe von Flaubert und Turgenjew (die verdeckte Observation).

Wenn man den Garten für den Grundbesitz ersetzt, radikalisiert James „Rappacini’s Daughter“ (1844) von Hawthorne. Und „Diddling“ von Poe (1843). Die Story wäre antisemitisch.

Folgende Geschichten aus der frühen Phase stützen diesen Befund. Von „Four Encounters“ (1877) erzählt ein Europakenner in vier Kapiteln. Wieder ist es das transatlantische Thema, das etwa die Hälfte der Erzählungen von H. James färbt: Amerikaner – fast alle „Innocents abroad“ wie bei Twain - treffen auf Europäer, Engländer, Franzosen, Italiener. Bei James wird das unschuldige, naive Mädchen zur Hauptfigur in solchen Geschichten. Sie ersetzt den unglücklichen Searle. Bis hin zu Milly Theale in Wings of the Dove (1902). 1877 interessiert sich der Erzähler für Caroline Spencer, eine „a thin-stemmed mild-hued flower of Puritanism“, und weckt ihr Interesse an Europa durch seine Fotosammlung. Bei ihrer Ankunft in Le Havre fällt Caroline in die Hände von zwei Betrügern, die ihres Vetters und dessen Frau, welche als Maler und Gräfin auftreten. Sie erleichteren ihr Opfer um ihre ganzen Ersparnisse und nisten sich schließlich bei ihr in Neuenengland als Kostgänger ein. Das weckt des Erzählers Widerwillen, aber er klärt Caroline nicht über die Gaunerei und verabschiedet von ihr mit den Gedanken:


As I went back past the Baptist church I could feel how right my poor friend had been in her conviction at the other, the still intenser, the now historic crisis, that she should still see something of that dear old Europe.


Mit dieser Pointe schließt die Geschichte der vier Begegnungen (über sieben Jahre) von Caroline mit dem Erzähler, der zunächst auch an Caroline interessiert war. Sie hat den Test der Reise (auch ein weibliches Abenteuer) nicht bestanden. Aber er auch nicht. Die sarkastische Pointe enthüllt ihn wieder als einen herzlosen, kalkulierenden und selbstsüchtigen Menschen, der sich durch seinen Part an der Betrügerei schrittweise enthüllt. Die Geschichte ist ungleich moderner: die Fotos haben die Skizzen ersetzt, die Handlung ist durchweg durch Dialoge geführt, sparsam durch Gesten ergänzt, welche die Gedanken oder Gefühle der Dialogpartner andeuten, statt Herrenhaus stehen die Ersparnisse einer Lehrerin auf dem Spiel, die Schauplätze sind der Hafen von Le Havre, Hotels und Restaurants, und das eher bescheidene Heim von Caroline Spencer. Der Erzähler beobachtet sie und ihren „Vetter“ mit überlegenem Wissen und steigendem Missfallen, aber sein „freundschaftliches“ Necken seiner „armen Freundin“ lädt uns ein, auch sein Benehmen genauer zu beobachten und unsere Schlüsse zu ziehen. Auch seine besondere Wut über die Maler-Posen des Vetters verrät etwas über eine verdeckte Rivalität. (Er hatte Caroline gerade zu einer gemeinsamen Zugfahrt nach Paris eingeladen). Die zweisprachig geführte Entlarvung der „Comtesse“ vor den Augen Carolines bildet den Höhepunkt der vier Dialoge.

Die Kapiteleinteilung seiner kurzen szenisch komponierten Geschichten, die entlarvenden Gespräche, die ökonomischen Fundierung der Liebes- oder der Familien-Beziehungen sowie die genaue Beobachtung des Erzählers sollten Standard-Verfahren von H. James bis ins ins hohe Alter bleiben.

In den mittleren Phasen verfasste James viele seiner besten kürzeren Geschichten und Novellen. Im Nachherein wird deutlich warum: er hatte Maupassant entdeckt. Maupassant schrieb die meisten seiner Novellen und Skizzen zwischen 1880 und 1890. Seine Meisterschaft – er hatte bei Flaubert gelernt – stand schnell außer Zweifel. Zwischen „Boule de Suif“ (1880) und „Un Portrait“ (1888) hatte er mehr als 320 Geschichten geschrieben, die international zum Prototyp für andere Erzähler und Erzählerinnen wurden. Henry James imitierte eine der bekanntesten Geschichten Maupassants über die Rückgabe einer (falschen) Perlenkette. Noch O. Henrys berühmte Geschichte „The Gift of the Magi“ (1906) lebt noch von der Formel des ungleichen Tausches. In den USA wurden züchtig selektierte Novellen von Maupassant in Auflagen von 169.000 Exemplaren verkauft.

Hinter einer oft einfachen Oberfläche verbergen sich bei Maupassant psychische und soziale Untiefen, die nur bei intensiver und wiederholter Lektüre sichtbar werden. Wer sich von dieser Kunst überzeugen will sollte die ausführliche semiotische Analyse der Geschichte „Deux amis“ (1883) bei A. Greimas (1976) lesen. Die Verdichtung jedes einzelnen Details nicht nur zu einem überraschenden Effekt, sondern zu einer historischen Situation zieht perfekt bis in die Wetter- und Landschaftsbeschreibung ein. Wie Le Horla (1886) zeigt hatte Maupassant das bei Poe gelernt. Seinerseits vollzog Anton Tschechow in den 80er Jahren die Wende von den vielen humoristischen Skizzen zu den Novellen und Dramen, die seinen Weltruhm begründet haben. Maupassant und Tschechow öffneten den Weg für die moderne Kurzgeschichte des C20, obwohl auch sie oft mit der längeren Novelle arbeiteten, „the blessed nouvelle“, wie Henry James sie in seinem Vorwort zu „The Lesson of the Master“ nennt. Dort beklagte er sich über die Auflagen, die ihm Herausgeber von Atlantic Monthly oder englischen Zeitschriften machten, sich kurz zu fassen. Die Kürze von Geschichten ist meist ein ökonomisches Problem. Er führt zur Novelle aus:


It had taken the blank misery of our Anglo-Saxon sense of such matters to organise, as might be said, the general indifference to this fine type of composition. In that dull view a “short story” was a “short story,” and that was the end of it. Shades and differences, varieties and styles, the value above all of the idea happily developed, languished, to extinction, under the hard-and-fast rule of the “from six to eight thousand words” - when, for one’s benefit, the rigour was a little relaxed. For myself, I delighted in the shapely nouvelle - as, for that matter, I had from time to time and here and there been almost encouraged to show.

Dennoch gelangen James zunehmend auch „Kurz- Geschichten“, welche an Maupassant und Tschechow heran reichten.

Die Reihe beginnt mit „Brooksmith“ (1891), eine Erweiterung der Technik unzuverlässigen Erzählers aus „The Passionate Pilgrim“ und ihre Anwendung auf die Charakterskizze. Immer wieder der „Bartleby“ Prototyp. Die Skizze charakterisiert den Butler Brooksmith als ein Rätsel: wie schafft es dieser Mann, den exklusiven Salon des Ex-Diplomaten Oliver Offord in London zu einem Salon zu machen, und das in London, wo selbst Frauen sich nicht darauf verstehen, die Konversationen in solchen Salons wie in Frankreich in Gang zu halten. Der Erzähler erklärt das veruchsweise: Brooksmith wählt die Eingeladenen so aus, dass sie alle gut zusammen passen, er ist bei allen Gesprächen (meist unter einem Vorwand) dabei und hört aufmerksam zu. Der Erzähler beteuert, er sei ein Freund von Brooksmith, doch als Offord stirbt, kann er niemanden finden, der ihm eine entsprechende Stelle anbieten will, und beobachtet ihn Jahr fürJahr in seinem Niedergang bis zum Leih-Kellner. Andere Gäste des Salons haben ihn längst abgeschrieben als einen „verwöhnten“ Butler; eine Lady hält ihn für unannehmbar, weil er in einem reinen Männerhaushalt gearbeitet hatte. Dies ist nicht die einzige Anspielung auf eine homosexuelle Beziehung zwischen Offord und Brooksmith.

Der Erzähler besucht ihn in seinen höchst bedürftigen Unterkünften, kann aber keine Hilfe anbieten, bis er nach Jahren erfährt, Brooksmith sei unter elenden Familienverhältnissen über Nacht in London verschwunden (Freitod?).

Wie in „The Passionate Pilgrim“ kann man dem dem Charakterisierer misstrauen: seine Schilderungen und seine Taten stimmen nicht überein. Es gibt zwar kein direktes ökonomisches Motiv für den Erzähler. Aber hinter seinen vielen Begegnungen mit Brooksmith und den vielen Freundschaftbeteuerungen, ja hinter dem Salon erscheint zunehmend deutlich ein abgestuftes Machtverhältnis zwischen Adel und Bürgertum. Beide halten sich Dienerschaften. Dabei nimmt der Butler, je nach Haushalt eine Art Mittlerposition ein, eher näher zur Herrschaft als zu den Dienern. Brooksmith gilt als intimer Freund seines Herrn. (Dieser liest seinem Butler aus Saint-Simon vor, obwohl Brooksmith kein Französisch kann.) Die Exklusivität des Salons, für die Brooksmith sorgt, schlägt voll gegen ihn durch, als er seinen Schutzherren verliert. Der Erzähler selbst lebt in einer Zwei-Zimmer Wohnung, und kann sich eine Dienerschaft nicht halten. Die Einladungen zu Gesellschaftsabenden sind nach Wohnort, Zahl der Gäste und der Bediensteten, mit oder ohne Butler gestuft. Dabei regeln Konversation und Benehmen (manners) die feinen Unterschiede in dieser Gesellschaft. Im Zerrspiegel des Butlers werden die Härten dieser Regeln - mit beteuerter Freundschaft verdeckt – sichtbar. Hier geht es um soziale Abstiegsängste in den Mittelschichten. Das Thema der sozialen Distinktionen spielt ab 1890 in den wachsende Rolle in den Geschichten von James. Es ist das Thema des Snobismus, das W. M. Thackeray in seinen Yellowplush-Charakterskizzen (1838) eingeführt hatte.

„The Real Thing“ (1893) ist dafür eine seiner bekanntesten Geschichten. Sie macht die Verfahren des Realismus selbst zum Thema und stellt sie in Frage. Sie legt noch deutlicher als „Brooksmith“ das Verhalten im englischen Klassensystem offen. Ein Maler entdeckt, dass seine beiden Modelle, echte Adlige, aber verarmt, sich weniger eignen für Illustrationen (zu einem kommerziellen Roman über die englische Oberschicht) als eine Dienerin und ein Straßenverkäufer. Er wechselt sie schrittweise aus, und setzt schließlich Major Monarch und seine Lady vor die Tür.

Der Erzähleinsatz verdeutlicht, wie viele soziale Disktinktionen die Beziehungen der beiden Paare und dem Künstler durchziehen.

When the porter’s wife, who used to answer the house-bell, announced “A gentleman and a lady, sir,” I had, as I often had in those days—the wish being father to the thought—an immediate vision of sitters. Sitters my visitors in this case proved to be; but not in the sense I should have preferred. There was nothing at first however to indicate that they mightn’t have come for a portrait. The gentleman, a man of fifty, very high and very straight, with a moustache slightly grizzled and a dark grey walking-coat admirably fitted, both of which I noted professionally—I don’t mean as a barber or yet as a tailor—would have struck me as a celebrity if celebrities often were striking. It was a truth of which I had for some time been conscious that a figure with a good deal of frontage was, as one might say, almost never a public institution. A glance at the lady helped to remind me of this paradoxical law: she also looked too distinguished to be a “personality.” Moreover one would scarcely come across two variations together.

Die Hervorhebungen der Distinktionen sind von mir. Sie multiplizieren und komplizieren sich im Verlauf der drei Kapitel. Die Monarchs beteuern sie seien authentisch (the real thing), Miss Churm und der italienische Straßenverkäufer Ormonte zeigen die Variationen in den Posen, wie sie der Adelsroman Rutland Ramsay, eines billigen Verlages verlangt. Auch der „Künstler“ ist nicht echt: er wartet auf Kundschaft für ein Portrait in Öl, lebt aber von billigen Illustrationen für Zeitschriften und Bücher. Er zahlt den Modellen, statt von ihnen bezahlt zu werden.

Die Monarchs haben auch schon für Fotos Modell gesessen, welche sie als Werbung für sich nutzen. Der Künstler-Erzähler liefert neben den Portrait-Skizzen für den Verlag, der ihm Arbeit für eine ganze Romanserie in Aussicht stellt, uns auch verbale Skizzen der vier Modelle im Verlauf der Sitzungen mit ihnen. Illustration und Text spiegeln sich wie „Kunst“ und „Literatur“. Ordonte spricht kein Englisch, was für die Illustrationen nicht wichtig ist. Der Erzähler spielt in seinen Dialogen mit den Monarchs, die ihm sozial überlegen sind, dies ihn aber taktvoll nicht merken lassen, Katz und Maus, weil sie sein Geld brauchen. Gegen Ende verstummen sie ganz, machen Kaffee und waschen das Geschirr ab. Und so weiter.

Diesen komplexen sozialen Beziehungen zwischen den drei Klassen, niedriger Landadel (gentry), professionelle Mittelschicht, und Unterschicht verknüpft James mit der Frage nach dem wahren Realismus: was ist real, wie funktioniert Repräsentation, welchen Gesichtspunkt nimmt der Erzähler ein, wie kann das Publikum beurteilen was wahr oder real ist? Die Antwort ist die Geschichte selber. Sie stellt die Frage und überlässt dem Publikum das Weitere. Mit wem sympathisieren Sie?

Es sind nicht die Dinge, (Häuser, Möbel), noch die soziale Herkunft, noch die biologische Abstammung, noch die Charaktere, die den realistischen Roman ausmachen. Es sind die persönlichen Beziehungen in einem Klassensystem, welches alle menschlichen Beziehungen dem Markt unterwirft. Auch die Autoren. Was dem Erzähler als realistisch in seinen Illustrationen scheint ist geformt durch seine Wahrnehmungsschema, die stammen auch aus dem Roman Rutland Ramsay, wohl eine Romanze in der Walter Scott Nachfolge, und werden letztlich vom Verlag entschieden. Er bekommt den Auftrag für die ganze Serie, aber seine Kunst hat darunter gelitten, sagen seine Freunde. Jede kleine Szene, jede Konversation, jedes Ding – sei es eine Tasse Kaffee oder ein Regenschirm – ist Teil einer Wirklichkeit, die das Handeln mehr oder weniger verdeckt regelt. Und die grundlegende Kraft, die in allen Beziehungen dieser Geschichte wirkt, ist die Arbeitsteilung, allgemeiner das Eigentum, noch allgemeiner das Kapital. Der Charakter verbirgt sich hinter einer Persönlichkeit, einer Maske – frontage wie James es trefflich nennt – und diese Maske folgt, mit den Dingen um die Personen herum, den Regeln des Geldes. Das gilt auch für die moderneren Geschichten, hier den Realismus.

Mit „The Real Thing“ hat sich James ein zweites Hauptthema eröffnet: den Künstler und seine Rolle in der Gesellschaft. Was bei Hawthorne, Poe und Melville je eine, zwei Erzählungen ausmachte, wird bei James zu einer ganzen Reihe von Geschichten und längeren Novellen. Das Thema hatte sich schon in „Four Encounters“ mit dem Gauner-Maler als Vetter angekündigt, deutlicher noch in „The Aspern Papers“ und „The Liar“ (beide 1888), „The Middle Years“ (1893) und „The Figure in the Carpet“ (1896). Eine Seitenlinie bilden die Geschichten um einen Schüler wie in „The Pupil“ (1891), „The Lesson of the Master“ (1892) bis hin zu „The Velvet Glove“ von 1909.

In diesen Jahren arbeitet für sich James literarisch das aus, was später als Perspektive (point of view) in die Literaturtheorie einging. Eigentlich ging es um mehr: James wandte sich der Wahrnehmungstheorie zu, und der Begriff „impression“ spielt dabei eine wachsende Rolle. So spielte in der Geschichte der Wahnehmung die Skizze in Kunst und Literatur eine wichtige Rolle. James kannte Hawthornes Experimente mit spontanen und erinnerten Skizzen, und in der Titel der Geschichte „The Figure in the Carpet“ erinnerte James natürlich an den berühmten Satz aus „The Fall of the House of Usher“:


It [the carpet] was spotted all over, at irregular intervals, with arabesque figures, about a foot in diameter, and wrought upon the cloth in patterns of the most jetty black. But these figures partook of the true character of the arabesque only when regarded from a single point of view.


Es ging aber auch um mehr noch als Arabesken oder Kippfiguren. In der autobiographischen Geschichte „The Middle Years“ (1893) zieht der Schriftsteller Dencombe eine Bilanz über sein Werk: "We work in the dark - we do what we can - we give what we have. Our doubt is our passion and our passion is our task. The rest is the madness of art.” Realismus ist Zweifel. Des Lesepublikums, der Charaktere, der Beobachter und der AutorInnen. Sehen selbst ist problematisch. In „Glasses“ geht es um eine Brille (wie schon bei Poes „The Sphinx“), wie in einer Fußnote zu „The Real Thing.“

1898 leitet eine letzte Phase in James Werk ein, einen wichtiger Wendepunkt. Sein persönlicher Stil, immer schon ironisch, mehrdeutig und verschachtelt komplizierte sich weiter: James fing an seine Texte zu diktieren. Nach 1900 arbeitete James an seiner 24 bändigen New Yorker Ausgabe, die denselben Titel trug. Er reflektiert sein Erzählen. Für Kurzgeschichten blieb neben den drei neuen Romanen weniger Zeit. Zwei Beispiele sollen zeigen wie James seinen Realismus psychologisch und „impressionistisch“ weiterführt.

„Mrs. Medwin“ erschien 1901. Die Handlung lässt sich kurz zusammenfassen. Eine Amerikanerin in London vermittelt reichen Bürgerinnen wie Frau Medwin Zugang zur Aristokratie und deren Landhäusern. Gegen bares Geld. Doch ihr Halb-Bruder drängt sich in ihr Geschäft und schließlich arbeiten sie zusammen. Alles: Möbel, Gespräche, Kleidung, Zeit in den vier Kapiteln dreht sich um Geld.

Hier die Eröffnung, ein beträchtlicher Fortschritt seit „The Real Thing“von 1883:


“Well, we are a pair!” the poor lady’s visitor broke out to her at the end of her explanation in a manner disconcerting enough. The poor lady was Miss Cutter, who lived in South Audley Street, where she had an “upper half” so concise that it had to pass boldly for convenient; and her visitor was her half-brother, whom she hadn’t seen for three years. She was remarkable for a maturity of which every symptom might have been observed to be admirably controlled, had not a tendency to stoutness just affirmed its independence. Her present, no doubt, insisted too much on her past, but with the excuse, sufficiently valid, that she must certainly once have been prettier. She was clearly not contented with once—she wished to be prettier again. She neglected nothing that could produce that illusion, and, being both fair and fat, dressed almost wholly in black. When she added a little colour it was not, at any rate, to her drapery. Her small rooms had the peculiarity that everything they contained appeared to testify with vividness to her position in society, quite as if they had been furnished by the bounty of admiring friends. They were adorned indeed almost exclusively with objects that nobody buys, as had more than once been remarked by spectators of her own sex, for herself, and would have been luxurious if luxury consisted mainly in photographic portraits slashed across with signatures, in baskets of flowers beribboned with the cards of passing compatriots, and in a neat collection of red volumes, blue volumes, alphabetical volumes, aids to London lucidity, of every sort, devoted to addresses and engagements. To be in Miss Cutter’s tiny drawing-room, in short, even with Miss Cutter alone—should you by any chance have found her so —was somehow to be in the world and in a crowd. It was like an agency—it bristled with particulars.


Ein ausgezeichnetes Beispiel für Frontage einer „armen Lady“, was der Soziologe Ervin Goffman „Eindrucksmanagement“ genannt hat. Die Rollen im transatlantischen Thema haben sich umgekehrt: die unschuldigen AmerikanerInnnen in Europa sind zu BetrügerInnen geworden, die Engländer ihre (nicht ganz unschuldigen) Opfer. Mamie Cutter verkauft soziale Beziehungen, und ihr Halb-Bruder Scott (!) Homer (!) vertritt den epischen Trickster, den con man, der seit Poe durch viele Chakterskizzen gezogen ist. Der Erzähler zögert nicht Mamie „our friend“ zu nennen, ganz wie in „The Passionate Pilgrim“ (1871). Fast alle Dialoge verhandeln offen oder verdeckt Geldforderungen (Lady Wantridge ist eher an Scott als an Bezahlung interessiert). Die Pünktlichkeit der Forderungen, ihre Verschiebungen, ihr Durchbrechen bilden die Peripetien, den schellen Wandel der Werte in der Handlungen. Es geht zu wie auf der Börse – schnell, kurz, nicht ganz ehrlich. Wissen ist Geld. Die Macht der Aristokratie bröckelt, und Solidarität gibt es keine. Was es gibt ist Konkurrenz zwischen den Geschwistern, die führt schließlich zur gemeinsamen „Agentur“, einer Fusion. Bei diesem Markt an Beziehungen geht es zu wie bei einem Kartenspiel, man muss wissen „die richtige Karte auszuspielen“. Die alte ritterliche Analogie zwischen Degenkämpfen und Dialogen – den Wortgefechten – weicht hier der zum Kartenspiel. Verbaler Poker wird in vielen Kurzgeschichten des 20c gespielt: bei Hemingway, Faulkner oder Chandler. Weibliche Taktiken - bei Grace Paley z.B. - sind andere.

Eine totale Kommerzialisierung sozialer Beziehungen, das „soziale Kapital“ wie es Pierre Bourdieu benannte, hat Auswirkungen auf den Stil. Dies ist eine diktierte Geschichte. In vielen Geschichten mischt James Register und Diktion verschiedener Ebenen. Er setzt bestimmte Wörter, quasi zitierend, in Anführungszeichen, bezeichnet sie teilweise als „vulgär“. Er schiebt gelegentlich andere Beobachter ein: „as had more than once been remarked by spectators of her own sex“. „In „Mrs. Medwin“ kontrastiert der Erzählerdiskurs, ironisch, mehrdeutig, augenzwinkernd mit den drei Typen von Dialogen: zwischen den beiden Amerikanern, zwischen Mamie und der bürgerlichen Mrs. Medwin, schließlich zwischen Miss Cutter und der lüsternen Lady Wantridge, welche mit einem Großfürsten verwandt ist. Die Namensgebung allein deutet die Distanz des Erzählers zu allen vier Figuren an. Am vulgärsten redet Homer Scott, eher dümmlich das Opfer Mrs. Medwin, am Raffiniertesten Lady Wantright, die sich nicht von Mamie in die Karten schauen lässt, eine fast perfekte Zwischenhändlerin, die allen Dialogen gewachsen ist, und eine helle Intelligenz hat für Zwischentöne wie für neue Profitmöglichkeiten. Eine skrupellose Intelligenz, so etwas „wie eine Künstlerin“. Die Kurzgeschichte – dies ist eine – wird zum Polylog, in dem sich verschiedene Klassen und Nationen mischen, alle gefangen im Netz des Handelns um Geld. Reden als Ausforschen (sounding nennt es James immer wieder), als Spiel um Wissen und Nichtwissen, um Macht. Reste von Solidarität sind allenfalls noch in den Verwandtschaftsverhältnissen vorhanden, aber auch die sind nur Einsatzmasse im Spiel (der Halb-Bruder, der Großherzog).

Henry James hat einmal bemerkt, dass seine Geschichten und Romane, welche AmerikanInnen in Europa als Opfer zeigen, in England sich besser verkaufen als solche, die Engländer als Opfer vorführen. Ein solcher Nationalismus fehlt hier ganz. Einige Kritiker haben die Geschichte zynisch genannt.


„A Round of Tours“ (1910) war einer seiner letzen kürzeren Geschichten. Sie erschien in der Sammlung The Finer Grain. An einem Sonntagnachmittag macht Mark Monteith seine Runde an Besuchen in Manhattan, nachdem er drei Tage mit Grippe und Niedergeschlagenheit im Hotel verbracht hatte. Er war 10 Jahr nicht mehr in New York gewesen, und in seiner Abwesenheit hat ein guter, alter Freund ihn um seine Dividenden betrogen. Er verlässt das Hotel und macht sich auf den Weg;


Everything, as he passed through the place, went on — all the offices of life, the whole bustle of the market, and withal, surprisingly, scarce less that of the nursery and the playground; the whole sprawl in especial of the great gregarious fireside: it was a complete social scene in itself, on which types might figure and passions rage and plots thicken and dramas develop, without reference to any other sphere, or perhaps even to anything at all outside. The signs of this met him at every turn as he threaded the labyrinth, passing from one extraordinary masquerade of expensive objects, one portentous "period" of decoration, one violent phase of publicity, to another: the heavy heat, the luxuriance, the extravagance, the quantity, the colour, gave the impression of some wondrous tropical forest, where vociferous, bright-eyed, and feathered creatures, of every variety of size and hue, were half smothered between umdergrowths of velvet and tapestry and ramifications of marble and bronze. The faima and the flora startled him alike, and among them his bruised spirit drew in and folded its wings.


Das Schlüsselwort hier ist “Impression”. Was wir im Verlauf mit Mark entdecken ist, wie seine „Intelligenz“ – ein weiteres Schlüsselwort - diese Eindrücke verarbeitet. Je höher die Intelligenz desto feiner das Gewebe, das aus Impressionen folgert. Mit anderen Worten mit mehr Inferenz. „The Finer Grain“.

Es geht nicht nur um Möbelrealismus bei den drei Treffen. Jeder Raum – Hotel oder Wohnung - charakterisiert seine Bewohner, alle drei sind reich, alle drei sind künstlerisch eingerichtet, alle drei besitzen eine Frontage, eine öffentliche Zurschaustellung einer Klasse von Engländern in New York, deren Veränderungen Mark zu einem intelligentem Schluss veranlasst:

He inexpressibly understood, and nothing in life had ever been so strange and dreadful to him as his thus helping himself by a longer and straighter stretch, as it were, to the monstrous sense of his friend's "education." It had been, in its immeasurable action the education of business, of which the fruits were all around them. Yet prodigious was the interest, for prodigious truly — it seemed to loom before Mark — must have been the system.


Wie kommt es zu diesem Schluss? Die zahlreichen Eindrücke der Interieurs and der Straßen von New York verknüfen sich in Marks Bewusstsein als ein Netz von Beziehungen: das System. Und dieses Netz ist vor allem ökonomisch. Die Passagierliste des Schiffes verrät den drei Personen, dass Mark in der Stadt ist: der Freund Phil flieht aus New York, die andere lädt ihn ein (sie hat sich gerade von ihrem Mann getrennt), die dritte ist ein Studienfreund, Newton aus der juristischen Fakulät in London, der ebenfalls Betrüger geworden ist. Er erschießt sich, als Mark der Polizei die Türe öffnet. Vorher hatte Mark noch aus einem bestimmten Blickpunkt den Teil einer Pistole unter dem Sessel erblickt, und Newton hatte gestanden.

In der Tat ähnelt die Szene zwischen Mark und Newton stark an „The Purloined Letter“ es geht um das Sichtbare und das Versteckte. „Vision“ ist das dritte Schlüsselwort in der Geschichte (auch in den Vorwörtern zur New Yorker Gesamtausgabe, getrennt gesammelt und später herausgegeben von einem der führenden Begründer des New Criticism nach dem Zweiten Weltkrieg). Mark sammelt Impressionen fasst sie zu intuitiven Visionen zusammen, die das Unsichtbare, Versteckte mit dem Sichtbaren verknüpft. Seine Intelligenz (Einsicht durch Lesen) führt zu einer kausalen Schlussfolgerung (Inferenz), die das Thema, die moralische Folgerung aus dem Ganzen ergiebt. Der deutschen Sprache mangelt ein Begriff für dieses logische Schließen, das sich von wissenschaftlichen Induktionen unterscheidet. Locke hatte dieses „Erraten“ inference genannt und es als ein Hauptinstrument des Verstandes, seinen Horizont zu erweitern (im Kapitel über „Reason“) bezeichnet, kürzer und plausibler als der Syllogismus bei Aristoteles. Poe nannte es (wie John Stuart Mills) ratiocination und machte es zu einer besonderen Tugend von Detektiven. Heute steckt hinter „kausaler Inferenz“ (Pearl 2018) eine mathematische Grundlage der Künstlichen Intelligenz.

Für Henry James machte das schließende Beobachten den Kern der Erfahrung aus: „The Finer Grain“ im Titel der Sammlung ist das Gehirn, das die Impressionen nicht nur sammelt, sondern in immer feinere Netzwerke und Gewebe verarbeitet. Der Leserschaft dieses Beobachten zu ermöglichen – nur an einer Stelle nimmt der Erzähler die Leser an die Hand – ist das Ziel seiner realistischen Novellen und Romane.

Oft sind sogenannten literarischen „Epiphanien“ oder „Visionen“ ganz weltliche Inferenzen, die Sichtbares und Unsichtbares kausal verbinden. Etwa der junge Mann im Basar von Dubliners. Er versteht plötzlich seine Rolle im Heiratsmarkt von Dublin. Unsichtbarkeit spielt eine zentrale Rolle in den Romanen und Kurzgeschichten von Thomas Pynchon. Auch Henry James war ein langsamer Lerner. Wir kommen darauf zurück.

Aber was James hier an Marks Eindrücken, Visionen und Inferenz vorführt verschafft auch uns Arbeit beim Lesen. Wir gehen Schritt für Schritt mit Mark durch Manhattan, stellen Vermutungen an, verwerfen sie, erinnern uns an ein früheres Kapitel („A Round of Tours“ hat sieben Kapitel, sechs davon für den Zeitraum von etwa vier Stunden) und wir schließen die Lektüre mit einer Einsicht, einer Schlussfolgerung, mit einer Inferenz. Ein Meisterwerk der exakten Zeitplanung. Kalender-Chronotop.

Das Verfahren des psychologischen Realismus, das James seit 1870 immer stärker ausarbeitet, endet hier beim inneren Monolog, dem Bewusstseinstrom des Protagonisten, nähert unseren Lesefluss dem Gedankenstrom der Figuren. Einige Passagen nehmen bereits Elemente vorweg, die im Bewusstsein von Leopold Bloom in Ulysses (1922) auftauchen, ständige, auch irrige Inferenzen über die Eindrücke. Auf der Straße hat Mark plötzlich Hunger, denkt an das hübsche Mädchen, das ihn zu Newton schicken wollte, stutzt:

With which, none the less, it was apparently where he wouldn't find her — and what was there, after all, of nutritive in the image of Newton Winch? He made up his mind in a moment that it owed that property, which the pretty girl had somehow made imputable, to the fact of its simply being just then the one image of anything known to him that the terrible place had to offer.
Nothing, he a minute later reflected, could have been so "rum" as that, sick and sore, of a bleak New York eventide, he should have had nowhere to turn if not to the said Fiftieth Street.
 That was the direction he accordingly took, for when he found the number given him by the same remarkable agent of fate also present to his memory he recognised the direct intervention of Providence and how it absolutely required a miracle to explain his so precipitately embracing this loosest of connections. The miracle indeed soon grew clearer: Providence had, on some obscure system, chosen this very ridiculous hour to save him from cultivation of the sin of selfishness, the obsession of egotism, and was breaking him to its will by constantly directing his attention to the claims of others.


Zehn Jahre vor dieser Geschichte erschien Freuds Traumdeutung, zweihundertzehn Jahre vorher war Signs and Wonders of the Invisible World von Cotton Mather erschienen, der Anzeichen noch mit Providence verknüpfte. James enthüllt die Vorsehung hier als ein System, welches als Tauschmittel Geld alle persönlichen menschlichen Beziehungen (bis hin zum Spielplatz und Kindergarten) durchdringt. Mark versteht die Veränderungen seiner ehemaligen Freunde und Freundin als Erziehung durch das System, sein Ausdruck für den Finanz-Kapitalismus, der New York beherrscht. Die Vorsehung des Systems beginnt mit dem Kinderalter „the claims of others“. Aber das System selbst bleibt ihm dunkel, unbewusst.

Doch dies ist kein Anti-Kapitalismus. Mark Monteith legt sein Vermögen zu Dividenden an. Henry James beschreibt in den Prefaces, wie er in London herumwandert, um Impressionen zu sammeln (in Notiz- und Skizzenbüchern), um diesen „Schatz“ akkumulierter Eindrücke dann in Geschichten zu verwenden. „Treasure“ ist ein Schlüsselwort seiner Poetik. Impressionen sind das Kapital des Schriftstellers, das Skizzenbuch wird zum Schatzkästchen. Doch Marks Eindruck entstammt nicht einem einzigen Spaziergang von James.

Die Einsichten in das Gesellkschaftssystem der USA verdankt James vielmehr einer mehrwöchigen Reise, einer Auftragsarbeit, welche sich in The American Scene (1907) niederschlug. Ein Amerikaner besucht sein Geburtsland, 10 Jahre bevor er britischer Staatsbüger wird: eine doppelte Sicht auf die USA früher und im Jahre 1907. Eine Desillusion.

[Hier einfügen!]

Diese letzte Geschichte ist ein wichtiger Meilenstein in der Entwicklung der Kurzgeschichte, zu der James schließlich gekommen ist (sie hat xx Wörter). Seine Schlussfolgerung ist ganz ähnlich wie die von Mark Twain in „The Man who Corrupted Hadleyburg“ (1900). Doch ihre Techniken des Realismus sind grundverschieden: Twain nähert sich immer mehr dem Naturalismus, James hält an seinen viktorianischen Grundlagen fest: Geschichten haben wie Romane Kapitel zu haben und ihre Protagonisten werden immer noch als „our hero“ oder „our friend“ durch die Geschichte gelenkt und kommentiert. Der diktierte Spätstil mischt altväterliche Kommentare mit beobachteten Beobachtern, was dem Lesepublikum eine Menge an Inferenzen und Zweifeln (auch an den Beobachtern) zumutet. James nennt diese „Reflektoren“. An diesen erhöhten Ansprüchen des Diktators werden einerseit Gertrud Stein und Djuna Barnes, andererseits – popularisierend die Kurzgeschichten von Dashiell Hammett, Ring Lardner und die Algonkin Runde der Zeitschrift The New Yorker (ab 1925) - anschließen.

Die Realisten Samuel Clemens (Mark Twain) und Henry James gehören beide zu den Begründern der modernen Kurzgeschichte. Beide machten dazu viele Skizzen. Die eine (vernakulare) Linie führt zu Hemingway (der auch James viel verdankt), Caldwell, Steinbeck, Farrell, Algren; die andere (vornehmere) zu Anderson, Porter, Parker, Faulkner, Nabokov, McCullers. Die eine sieht mehr den kommenden Imperialismus, die andere sichtet den Weg in eine Klassengesellschaft, in welcher Waren (Möbel, Grundbesitz, Kunst) fast alle menschlichen Beziehungen durchdringen: von London oder der amerikanischen Kleinstadt bis hin in die Familie und Freundschaften.


Crane 1898

Stephen Crane versuchte sein naturalistisches Debut mit einem Roman über ein Mädchen, das durch die Umwelt zur Prostitution gezungen wurde. Maggie (1893) fand keinen Verleger, er musste die Veröffentlichung selber finanzieren. Nach einem erfolgreichen (aber vom Verleger zensierten) Roman über die vorgebliche Mutprobe eines Rekruten in einer Schlacht im Bürgerkrieg konnte Crane die Sammlung The Little Regiment (1896) veröffentlichen, allerdings nur in England. Es sind naturalistische Sketch-Stories, die sich deutlich von Bierce „Chickamauga“ und „One of the Missing“ unterscheiden. Crane hatte Zola genau studiert:



Fred Collins, of A Company, was saying: "Thunder, I wisht I had a drink. Ain't there any water round here?" Then, somebody yelled: "There goes th' bugler!"

As the eyes of half the regiment swept in one machine-like movement, there was an instant's picture of a horse in a great convulsive leap of a death-wound and a rider leaning back with a crooked arm and spread fingers before his face. On the ground was the crimson terror of an exploding shell, with fibres of flame that seemed like lances. A glittering bugle swung clear of the rider's back as fell headlong the horse and the man. In the air was an odour as from a conflagration. (“A Mystery of Heroism”)



Die Perspektiveführung ist subtiler geworden und die Wahrnehmung wird in einzelne Impressionen aufgelöst; eine Art Pointillismus mit Wörtern. Das hatte es in der amerikanischen Literatur noch nicht gegeben. Auch bei Hearn nicht. Das Publikum musste das Geheimnis des Titels selber lösen: alles Heldentum ist illusorisch, es geht um maschinenartige Vernichtung von Menschen. Auch von Kleinstadt-Illusionen:



All demeanour of rural serenity had been wrenched violently from the little town by the guns and by the waves of men which had surged through it. The hand of war laid upon this village had in an instant changed it to a thing of remnants. It resembled the place of a monstrous shaking of the earth itself. The windows, now mere unsightly holes, made the tumbled and blackened dwellings seem skeletons. Doors lay splintered to fragments. Chimneys had flung their bricks everywhere. The artillery fire had not neglected the rows of gentle shade-trees which had lined the streets. Branches and heavy trunks cluttered the mud in driftwood tangles, while a few shattered forms had contrived to remain dejectedly, mournfully upright. They expressed an innocence, a helplessness, which perforce created a pity for their happening into this caldron of battle.
 Furthermore, there was under foot a vast collection of odd things reminiscent of the charge, the fight, the retreat. There were boxes and barrels filled with earth, behind which riflemen had lain snugly, and in these little trenches were the dead in blue with the dead in grey, the poses eloquent of the struggles for possession of the town, until the history of the whole conflict was written plainly in the streets. (“The Little Regiment”)

Auch von Heim und Herd als Schutzraum: der Krieg dringt in die Küche ein. Die Fokalisierung ist noch begrenzt allwissend (perforce) und melodramatisch auf Effekte bedacht, doch die Beschreibung nimmt Filmtechniken voraus in ihrer genauen Observation und Satzmontage: Dorf – Häuser – Straße – Bäume – darunter Dinge wie Kisten und Leichen beider Seiten. Farben tauchen erst am Ende auf, nicht pittoresk wie bei Hearn, sondern zeichenhaft für die Sinnlosigkeit des Krieges. Die Menschen haben ihr Leben verloren für den Gewinn sinnlos gewordener Dinge. Das Dorf ist erobert, aber zerstört. Abstrakta von serenity bis eloquent schaffen Kontrapunkte, snugly wirkt wie eine schrille Dissonanz.

In einer der besten Kriegsgeschichten „The End of the Battle“ (1898) lesen sich weite Stellen bereits wie Ernest Hemingway. Von einer kleinen Gruppe belagerter Soldaten verliert einer nach dem anderen sein Leben. Die Fokalisierung vermeidet fast alle Effekte oder verlegt sie ganz in die Figuren.

Morton, with the kindly eyes of a good shepherd, looked at the man. "You are afraid, Johnston, you are afraid," he said softly. The man struggled to his feet, cast upon the sergeant a gaze full of admiration, reproach, and despair, and returned to his post. A moment later he pitched forward, and thereafter his body hung out of the window, his arms straight and the fists clenched. Incidentally this corpse was pierced afterwards by chance three times by bullets of the enemy.

The sergeant laid his rifle against the stonework of the window-frame and shot with care until his magazine was empty. Behind him a man, simply grazed on the elbow, was wildly sobbing like a girl. "Damn it, shut up!" said Morton, without turning his head. Before him was a vista of a garden, fields, clumps of trees, woods, populated at the time with little fleeting figures.

He grew furious. "Why didn't he send me orders?" he cried aloud. The emphasis on the word "he" was impressive. A mile back on the road a galloper of the Hussars lay dead beside his dead horse.

The man who had been grazed on the elbow still set up his bleat.

Morton's fury veered to this soldier. "Can't you shut up? Can't you shut up? Can't you shut up? Fight! That's the thing to do. Fight!"

A bullet struck Morton, and he fell upon the man who had been shot in the throat. There was a sickening moment. Then the sergeant rolled off to a position upon the bloody floor. He turned himself with a last effort until he could look at the wounded who were able to look at him.



"Kim up, the Kickers," he said thickly. His arms weakened and he dropped on his face.

After an interval a young subaltern of the enemy's infantry, followed by his eager men, burst into this reeking interior. But just over the threshold he halted before the scene of blood and death. He turned with a shrug to his sergeant. "God, I should have estimated them at least one hundred strong."

Crane hat eine neue Technik der Paragraphenreihung gelernt. Morton trägt den Fokus. Der Erzähler wechselt zwischen dem Namen und dem Titel Sergeant. Die militärische Hierarchie, Befehle spielen angesichts des Todes keine Rolle mehr. Mortons letzte Worte (ein Befehl?) sind sinnlos. Die Folge seiner Wahrnehmungen variiert seine Emotionen. Und im letzten Paragraph wechselt der Fokus zu einem naiven Untergebenen, der sich an seinen Sergeanten wechselt. Sein begrenzer Fokus spiegelt den seiner Opfer. Die sportliche Anerkennung verdeckt die Verkennung der eigenen Lage.

Wenn naturalistische Autoren mit Charakteren experimentierten, ließ sich das auch mit dem Beobachter machen. Crane inaugurierte die verdeckte Reportage. Er verkleidete sich, um eine Nacht im Obdachlosenheim zu verbringen: ein „Experiment“ (Zola) des Beobachters im Elend:

The youth sat on his cot and peered about him. There was a gas-jet in a distant part of the room, that burned a small flickering orange-hued flame. It caused vast masses of tumbled shadows in all parts of the place, save where, immediately about it, there was a little grey haze.

As the young man's eyes became used to the darkness, he could see upon the cots that thickly littered the floor the forms of men sprawled out, lying in deathlike silence, or heaving and snoring with tremendous effort, like stabbed fish.

... The sound in its high piercing beginnings, that dwindled to final melancholy moans, expressed a red and grim tragedy of the unfathomable possibilities of the man's dreams. But to the youth these were not merely the shrieks of a vision-pierced man: they were an utterance of the meaning of the room and its occupants. It was to him the protest of the wretch who feels the touch of the imperturbable granite wheels, and who then cries with an impersonal eloquence, with a strength not from him, giving voice to the wail of a whole section, a class, a people. (“An Experiment in Misery”)

Jsack London sollte das 1903 in The People of the Abyss nachmachen, und das Modell der verdeckten Reportage bei Crane wird bis heute variiert: im Film (Blowup 1966), mit verdeckzter Kamera laufend im Fernsehen und durch investigative Reporter wie Günter Wallraff (Ganz Unten 1985).

In seiner berühmtesten Skizze, “The Open Boat” (1898) schildert Crane den Überlebenskampf einer kleinen Gruppe von Männern gegen eine feindliche Umwelt, eine Art unfreiwiller teilhabender Beobachtung. Der Erzähler teilt die Anspannung der anderen und liest alle Interaktionen im Boot auf verdeckte seelische Zustände. Die Solidarität überlebt, nicht der Stärkste. Die oft analysierte Wirkung der Sketchstory liegt in der wellenartigen Fokalisierung, welche man bis in die einzelnen Paragraphen hinein verfolgen kann. Und diese verläuft synchron mit dem Wechselbad der Gefühle in der Gruppe.

In einer anderen erweitert er die Charakterskizze, die seit „The Minister’s Black Veil (1837) große Fortschritte gemacht hatte. „A Monster“ (Harper’s 1898) gehört zu der Sammlung Whilomville Stories (1900), Skizzen zu einer Kleinstadt, in der Crane aufgewachsen war (Port Jervis). Crane experimentierte hier mit den Reflektoren von Henry James. Das „Monstrum“ ist ein Mann, dessen Gesicht bei dem Versuch, einen kleinen Jungen aus einem Hausbrand zu retten, zerstört wurde. Die Novelle ist in 24 kurze Skizzen zerlegt und montiert die Reaktionen verschiedener Stadtbewohner auf das zerstörte Gesicht von Henry Johnson. Der Druck auf seinen Herrn Dr. Trescott, Henry los zu werden wächst: der Richter, die Männer im Barbierladen, die Feuerwehr, der reichste Mann in der Stadt schalten sich ein, die Frauengruppe um Martha X, Henrys schwarze Freunde, wuchernde Gerüchte und entstellende Klatschgeschichten. Johnson ist Schwarzer und hüllt sich in einen weißen Schleier (veil). Alles vergeblich, der Arzt verliert die Patienten, seine Frau ihr Teeekränzchen, dem geretteten kleinen Jimmie fällt nicht besseres ein, als Henry seinen Freunden zu einer Mutprobe zu präsentieren.

Crane dezentriert die Charakterisierung. Die Zerlegung in viele einzelne Perspektiven dient nicht der komplexen Enthüllung eines Charakters, sondern der Entlarvung der Gemeinde: ihr Zusammenhalt beruht auf Stigmatisieren, Auschluss und letztlich Rassismus (. Aber mehr noch: der Charakter von Johnson löst sich auf in seine sozialen Beziehungen: sein Herr, der Junge, seine Braut, ein paar Gleichaltrige, die ihn hänseln. Ohne sie und seine Kleidung und Gesten eines Gentlemans ist er nichts. Das Milieu determiniert ihn. Henry wird zu dem, was die Stadt aus ihm machen will: ein Monstrum. Die Humanität wird Henry Johnson abgesprochen. Die Reflektoren charakterisieren sich selbst durch das was sie meinen, nicht wissen. Die Montage ihrer Stimmen enthüllt die die Konflikt-Linien in der Stadt: Klassen (Herr-Knecht), Geschlechterrollen (Arzt-Frauen), und Rasse (der Richter empfieht dem Arzt Euthanasie als humanere Lösung). Der Barbierladen wird uns im 20c als ein Gemeindechor bei Ring Lardner, W. Faulkner und Eudora Welty immer wieder begegnen. Jeder einzelne der Reflkektoren charakterisiert sich selbst durch seine Sprache. Der Erzähler hält sich weitgehend zurück und spiegelt Nähe und Distanz der Figuren durch die Namensgebung (Henry statt Johnson oder Tilgung beider zu einem „Ding“). Blockcharakteriserung fehlt fast ganz, und Whilomville wird kurz in einem Paragraph beschrieben. Straßennamen und Distrikte übernehmen das Lokalkolorit.

Hier liegt auch ein Unterschied zum vornehmen Realismus von Henry James. Der fertigte Skizzen von Impressionen in seinen Notizbüchern an und verwendete sie in Geschichten wie „The Passionate Pilgrim“ oder „A Round of Visits“. Das begrenzte seinen Figurenkreis auf seine eigenen Impressionen. Auch die beim Reisen. Crane recherchierte in Büchern und Zeitschriften, in Texten und Fotografien, setzte seine Figuren oder sich selbst experimentell Situationen aus, um deren Reaktionen zu testen. Er folgte Zolas experimenteller Methode. Letztlich erschloss der Naturalismus von Crane neue Figurenkreise für die Literatur. Cranes Fokalisierung ist eine direkte Umkehrung von What Maisie Knew (1897). „A Monster“ ist auch eine Kritik an der sozialen Ausschließung im bürgerlichen Realismus, am Snobismus.

Snobismus wie ihn eine frühe Bemerkung von H. James über Dickens (1865) entlarvt:

Like all Mr Dickens pathetic characters, she [Jenny Wren] is a little monster; she is deformed, unhealthy, unnatural; she belongs to the troop of hunchbacks, imbeciles, and precocious children who have carried on the sentimental business in all Mr Dickens’s novels; the little Nells, the Smikes, the Paul Dombeys. (in Miller 1985, 198)

Bei James gibt es antisemitischer, ausländerfeindliche und snobistische Töne.

Crane befreit die Ausgeschlossenen gleichermaßen vom Sentimentalismus bei Dickens und der arroganten Sicht von James. Er macht die jeweilige Klassenperspektive sichtbar. Wir beobachten hier die Beobachter nicht mehr als einfache Reflektoren.

In anderen berühmten Geschichten setzt Crane das Ende des Wilden Westens experimentell durch Außenseiter in Szene: „The Bride Comes to Yellow Sky“ und „The Blue Hotel“, die Braut oder der Schwede bringen das soziale Gefüge ins Wanken. Ein Kompromiss mit der Sittenschilderung bei den Realisten. Alle drei Geschichten lesen sich wie filmreife Drehbücher vor ihrer Zeit. Crane fand Arbeit konsequenterweise als Kriegsberichterstatter. Er starb mit 29 Jahren. Er wäre wahrscheinlich der erste große naturalistische Romancier der USA geworden. Die Zensur hat ihn in den USA ausgebremst. Seine Bedeutung klärten Kritiker erst nach 1920, und erst ab da begann sein Vorbild zu wirken.

Hätte Crane seine Verfahren noch theoretisieren können wäre die Entwicklung der Sketch-Story vielleicht anders verlaufen.



APPENDIX:

Crane:

LONDON IMPRESSIONS ( incl. The Top-Hat Legend)


1. Lost baggage, address to reader, he is focussed on the cabman and the porter, does nor see anything else of London

2. The streets, compared to NY, less noisy, 3. skating surface, horse slips, 4. Accident, insults, restoring the horse ...

5. Rescuers, a youth, INSERT: the top-hat legend:

I recall a legend recited to me by an esteemed friend, ex-Sheriff of Tin Can, Nevada. Jim Cortright, one of the best gun-fighters in town, went on a journey to Chicago, and while there he procured a top-hat. He was quite sure how Tin Can would accept this innovation, but he relied on the celerity with which he could get a six-shooter in action. One Sunday Jim examined his guns with his usual care, placed the top-hat on the back of his head, and sauntered coolly out into the streets of Tin Can.

Now, while Jim was in Chicago some progressive citizen had decided that Tin Can needed a bowling alley. The carpenters went to work the next morning, and an order for the balls and pins was telegraphed to Denver. In three days the whole population was concentrated at the new alley betting their outfits and their lives.

It has since been accounted very unfortunate that Jim Cortright had not learned of bowling alleys at his mother's knee or even later in the mines. This portion of his mind was singularly belated. He might have been an Apache for all he knew of bowling alleys.


In his careless stroll through the town, his hands not far from his belt and his eyes going sideways in order to see who would shoot first at the hat, he came upon this long, low shanty where Tin Can was betting itself hoarse over a game between a team from the ranks of Excelsior Hose Company No. 1 and a team composed from the habitues of the "Red Light" saloon.


Jim, in blank ignorance of bowling phenomena, wandered casually through a little door into what must always be termed the wrong end of a bowling alley. Of course, he saw that the supreme moment had come. They were not only shooting at the hat and at him, but the low-down cusses were using the most extraordinary and hellish ammunition. Still, perfectly undaunted, however, Jim retorted with his two Colts, and killed three of the best bowlers in Tin Can.


The ex-Sheriff vouched for this story. He himself had gone headlong through the door at the firing of the first shot with that simple courtesy which leads Western men to donate the fighters plenty of room. He said that afterwards the hat was the cause of a number of other fights, and that finally a delegation of prominent citizens was obliged to wait upon Cortright and ask him if he wouldn't take that thing away somewhere and bury it. Jim pointed out to them that it was his hat, and that he would regard it as a cowardly concession if he submitted to their dictation in the matter of his headgear. He added that he purposed to continue to wear his top-hat on every occasion when he happened to feel that the wearing of a top-hat was a joy and a solace to him.


The delegation sadly retired, and announced to the town that Jim Cortright had openly defied them, and had declared his purpose of forcing his top-hat on the pained attention of Tin Can whenever he chose. Jim Cortright's plug hat became a phrase with considerable meaning to it.


However, the whole affair ended in a great passionate outburst of popular revolution. Spike Foster was a friend of Cortright, and one day, when the latter was indisposed, Spike came to him and borrowed the hat. He had been drinking heavily at the "Red Light," and was in a supremely reckless mood. With the terrible gear hanging jauntily over his eye and his two guns drawn, he walked straight out into the middle of the square in front of the Palace Hotel, and drew the attention of all Tin Can by a blood-curdling imitation of the yowl of a mountain lion.


This was when the long suffering populace arose as one man. The top-hat had been flaunted once too often. When Spike Foster's friends came to carry him away they found nearly a hundred and fifty men shooting busily at a mark--and the mark was the hat.


My informant told me that he believed he owed his popularity in Tin Can, and subsequently his election to the distinguished office of Sheriff, to the active and prominent part he had taken in the proceedings.


The enmity to the top-hat expressed by the convincing anecdote exists in the American West at present, I think, in the perfection of its strength; but disapproval is not now displayed by volleys from the citizens, save in the most aggravating cases. It is at present usually a matter of mere jibe and general contempt. The East, however, despite a great deal of kicking and gouging, is having the top-hat stuffed slowly and carefully down its throat, and there now exist many young men who consider that they could not successfully conduct their lives without this furniture.


To speak generally, I should say that the headgear then supplies them with a kind of ferocity of indifference. There is fire, sword, and pestilence in the way they heed only themselves. Philosophy should always know that indifference is a militant thing. It batters down the walls of cities, and murders the women and children amid flames and the purloining of altar vessels. When it goes away it leaves smoking ruins, where lie citizens bayoneted through the throat. It is not a children's pastime like mere highway robbery. ...


To compare with Washington Irving and N. Hawthorne; ethnography of „Bowler Hat“ exclusion, class war, country / city, war and sports, gunfighter nation

Hearn 1899

Poe kam um die Jahrhundertwende als Rückimport in die USA. In England hatten Conan Doyle und Stevenson aus Poe neue Literaturserien entwickelt: aus Dupin wurde Sherlock Holmes, aus dem Goldkäfer die Schatzinsel, aus William Wilson Dr. Jekyll and Mr. Hyde. In Frankreich hatte Baudelaire die Prosadichtung in den Skizzen von Poe entdeckt, Mallarmé hatte „The Black Cat“ übersetzt, Maupassant es in „Le Horla“ imitiert, und Baudelaire selbst hatte begonnen, die Sonette mit Blumen hinter sich zu lassen und urbane Gedichte in Prosa zu schreiben. In Le Spleen de Paris (1869) finden sich zumindest drei Hommagen an Poe und weitere Einflüsse in den restlichen Prosastücken. Auch andere Symbolisten und Impressionisten lasen Poe.

Lafcadio Hearn seinerseits las Französisch und versuchte, die französischen Stilversuche in Malerei und Dichtung in die literarische Skizze der USA einzuführen. Er kombinierte Impressionismus und Lokalkolorit in seinen Skizzen zu New Orleans und der Karibik. In seinen frühen Creole Sketches (1878-1880) untertitelt Leaves from the Diary of an Impressionist macht er die Kombination von evokativen Wörtern zum Kunstwerk. Deren Buchveröffentlichung (1924) hat Hearn selbst illustriert.

Hier ein Beispiel:

An old Western river port, lying in a wrinkle of the hills - a sharp slope down to the yellow water, glowing under the sun like molten bronze - a broken hollow square of buildings framing it in, whose basements had been made green by the lipping of water during inundations periodical as the rising of the Nile - a cannonade-rumble of drays over the boulders, and muffled-drum thumping of cotton bales - white signs black-lettered with names of steamboat companies, and the green lattice-work of saloon doors flanked by empty kegs - above, church spires cutting the blue - below, on the slope, hogsheads, bales, drays, cases, boxes, barrels, kegs, mules, wagons, policemen, loungers, and roustabouts, whose apparel is at once as picturesque, as ragged, and as colorless as the fronts of their favorite haunts on the water-front. Westward the purple of softly-rolling hills beyond the flood, through a diaphanous veil of golden haze - a marshaled array of white boats with arabesque lightness of painted woodwork, and a long and irregular line of smoking chimneys. The scene never varied save with the varying tints of weather and season. Sometimes the hills were gray through an atmosphere of rain - sometimes they vanished … Times-Democrat, May 2,1882.

Die Syntax löst sich auf zu einer Reihung von Farbimpressionen, Licht und Schatten, Geräuschen, Klangspielen, Rhythmisierungen, freien Augenbewegungen hin und her –ein Wortgemälde, ein Prosagedicht, ein Impromptu, kurz Synästhesie. Hearn griff die romantische Variante der Reverie wieder auf, wie sie schon Hawthorne in „Snow Flakes“ praktiziert hatte, löste sie aber impressionistisch auf.

Hearns frühe narrativen Skizzen drehen sich um Liebe und Tod, das Makabre, um Spiele mit dem Unbewussten: ein totes Mädchen im Schaufenster, ein Tausenfüßler, kleine Jungens die im Hafen nach Münzen tauchen, ein nächtlicher Friedhof, eine erotische Fantasie über einen japanischen Fächer; dazu Legenden, Geistergeschichten, verfallene Herrenhäuser usw. Das ließ sich gegen die herrschenden Kulturzeitschriften nicht durchsetzen. Mit dem Wechsel von louisianischen Ortszeitschriften zu Harper’s Weekly wich Hearns Impressionismus den üblichen Charakter- und Ortskizzen eines Reisenden, der auch den lokalen Dialekt genau reproduzierte, alles mit einem Schuss Humor versetzt. Für Ästhetizismus und Dekadenz war in der Kulturindustrie vom Schlage Munsey kein Platz. Hearn verließ die USA und ging mit seiner Frau nach Japan.

Vorher verfasste er noch eine Novelle, aus verschiedenen Skizzen über die Küste vor New Orleans montiert. Da Chita. A Memory of Last Island (1889) zugleich auch Symbolismus mit Naturalismus vereinte, schlug diese Novelle neue Wege in der Landschaftskizze ein. Sie tat fast alles, was die Fotografie damals noch nicht konnte. Außerdem vollzog sie mit ihrer Prosa eine Wende zur Musik, macht Takte zu Paragraphen.

Wir müssen uns etwas ausführlicher mit Chita beschäftigen.

Die Novelle erschien zunächst in Harper’s New Monthly Magazine (1888) und wurde für die Buchfassung überarbeitet. Hearn kombiniert seine Landschaftskizzen über die Küste Louisianas und den Archipel an der Mississippi-Mündung mit einem dramatischen (wahren) Ereignis: ein Wirbelsturm (Hurricane) vernichtete am 10. August 1856 eine ganze Insel. Es gab nur wenige Überlebende: ein kleines Mädchen, das dann von spanischen Fischern gerettet und „Chita“ (Conchita) genannt wird. Ihr Überleben macht den Kern der Geschichte aus.

Hearn komponiert diese Geschichte in drei Teilen wie in drei Sätzen einer Symphonie:

Part I. The Legend of Isle Dernière (7 Teile): Der Sturm und seine Folgen
Part II Out of the Sea's Strength (8 Teile) Chita lernt mit dem Meer zu leben
Part III The Shadow of the Tide (6 Teile) Chitas Vater stirbt umnachted an der Pest.

Schon hier wird die mehrfache Verdopplung der Geschichte deutlich: das Meer nimmt und gibt; Insel und Meer stehen sich gegenüber; die historischen Fakten werden durch eine Legende überlagert. Ableiten lassen sich: Licht und Schatten, Stärke und Schwäche.

Diese wie weitere Gegensätze werden hauptsächlich in den Landschaftskizzen symbolisiert. Ein dichtes Geflecht on Symbolen verbindet die drei Teile: in I als Vordeutungen, in III als Rückblicke. Der Mittelteil ist weitgehend narrativ, III. verlegt die Landschaften ins Innere von Chita und ihrem Vater.

Hier ist die Einführung in die Inselwelt vor der Küste Louisianas. (Poe hatte in Wicca Louisiana als die wildeste Landschaft der USA gepriesen. Er kannte sie nur vom Hörensagen. Hearn gründet sienen Text auf eine umfangreiche Samllung von skizzen, die er sich vor Ort gemacht hatte:


Beyond the sea-marshes a curious archipelago lies. If you travel by steamer to the sea-islands to-day, you are tolerably certain to enter the Gulf by Grande Pass - skirting Grande Terre, the most familiar island of all, not so much because of its proximity as because of its great crumbling fort and its graceful pharos: the stationary White-Light of Barataria. Otherwise the place is bleakly uninteresting: a wilderness of wind-swept grasses and sinewy weeds waving away from a thin beach ever speckled with drift and decaying things - worm-riddled timbers, dead porpoises. Eastward the russet level is broken by the columnar silhouette of the lighthouse, and again, beyond it, by some puny scrub timber, above which rises the angular ruddy mass of the old brick fort, whose ditches swarm with crabs, and whose sluiceways are half choked by obsolete cannon-shot, now thickly covered with incrustation of oyster shells. . . . Around all the gray circling of a shark-haunted sea. . . .

Sometimes of autumn evenings there, when the hollow of heaven flames like the interior of a chalice, and waves and clouds are flying in one wild rout of broken gold - you may see the tawny grasses all covered with something like husks - wheat-colored husks-large, flat, and disposed evenly along the lee-side of each swaying stalk, so as to present only their edges to the wind. But, if you approach, those pale husks all break open to display strange splendors of scarlet and sea-brown, with arabesque mottlings in white and black: they change into wondrous living blossoms, which detach themselves before your eyes and rise in air, and flutter away by thousands to settle down farther off, and turn into wheat-colored husks once more ... a whirling flower-drift of sleepy butterflies!

Zwei Paragraphen, die kontrastieren: Archipel (Ort) und Herbst (Zeit), Haie und Schmetterlinge, uninteressant und arabesk. Beide führen unterschiedlich durch die Impressionen: Inselnamen, Fort, Leuchtturm, Wildnis, Strandgut, tote Delfine, Krebse, alte Kanonenkugeln, Haie; dagegen: Himmel (heaven), Kelch, Hülsen, Hülsen, Hülsen, Blumen, Schmetterlinge. Eine Todesmelodie gegen Auferstehen, ganz symbolisch. Auch die Farben kontrastieren.

Dazu die Syntax. Hearne benutzt durchweg eine Vielfalt von Interpunktionsmittel: außer Punkten und Kommata auch Gedanken- und Bindestriche, Auslassungszeichen, Asterix und Leerzeilen. Hearn phrasiert wie ein Musiker auf Atempausen. Man muss diese Prosa laut lesen.

Dann tritt noch eine bestimmte Rhythmik ohne festes Versmaß. Die Hai-Strophe und die Schmetterling-Strophe durchzieht eine Reihe fester rhythmischer Einheiten: Zweisilber (oft Komposita), Dreisilber (mit wechselndem Akzent), Mehrersilber (doppelte Komposita oder exotische Fremdwörter wie archipelago oder Barataria). Ohne die griechischen Versfüße zu bemühen, könnte man die Sätze in Phrasen der beiden Strophen zerlegen um dann die Verteilung der Einheiten über die Phrasen hinweg zu analysieren ohne feste Verslängen zu finden. Die Hauptmarkierung ist in Paragraphen (Strophen) nicht in Versen.

Die Einteilung von Abschnitten der drei Teile in Paragraphen variiert. Hier entdeckt Chita als junges Mädchen ihre neue Welt auf der Fischer-Insel:

Excepting Carmen's old prayerbook - in which she learned to read a little - her childhood passed without books - also without pictures, without dainties, without music, without theatrical amusements. But she saw and heard and felt much of that which, though old as the heavens and the earth, is yet eternally new and eternally young with the holiness of beauty - eternally mystical and divine -eternally weird: the unveiled magnificence of Nature's moods - the perpetual poem hymned by wind and surge-the everlasting splendor of the sky.

She saw the quivering pinkness of waters curled by the breath of the morning - under the deepening of the dawn - like a far fluttering and scattering of rose-leaves of fire; - Saw the shoreless, cloudless, marvelous double-circling azure of perfect summer days - twin glories of infinite deeps interreflected, while the Soul of the World lay still, suffused with a jewel-light, as of vaporized sapphire; -
Saw the Sea shift color - "change sheets" - when the viewless Wizard of the Wind breathed upon its face, and made it green; -
Saw the immeasurable panics - noiseless, scintillant - which silver, summer after summer, curved leagues of beach with bodies of little fish - the yearly massacre of migrating populations, nations of sea-trout, driven from their element by terror; and the winnowing of shark-fins - and the rushing of porpoises - and the rising of the grande-écaille, like a pillar of flame - and the diving and pitching and fighting of the frigates and the gulls - and the armored hordes of crabs swarming out to clear the slope after the carnage and the gorging had been done;-
Saw the Dreams of the Sky - scudding mockeries of ridged foam - and shadowy stratification of capes and coasts and promontories long-drawn-out - and imageries, multicolored, of mountain frond-age, and sierras whitening above sierras - and phantom islands ringed around with lagoons of glory; -
Saw the toppling and smouldering of cloud-worlds after the enormous conflagration of sunsets - incandescence ruining into darkness; and after it a moving and climbing of stars among the blacknesses - like searching lamps; -
Saw the deep kindle countless ghostly candles as for mysterious night-festival - and a luminous billowing under a black sky, and effervescences of fire, and the twirling and crawling of phosphoric foam; -
 Saw the mesmerism of the Moon; - saw the enchanted tides self-heaped in muttering obeisance before her.

Often she heard the Music of the Marsh through the night: an infinity of flutings and tinklings made by tiny amphibia - like the low blowing of numberless little tin horns, the clanking of billions of little bells; - and, at intervals, profound tones, vibrant and heavy, as of a bass-viol - the orchestra of the great frogs! And interweaving with it all, one continuous shrilling - keen as the steel speech of a saw - the stridulous telegraphy of crickets.

But always - always, dreaming or awake, she heard the huge blind Sea chanting that mystic and eternal hymn, which none may hear without awe, which no musician can learn; - […]

Unknowingly she came to know the immemorial sympathy of the mind with the Soul of the World - the melancholy wrought by its moods of gray, the reverie responsive to its vagaries of mist, the exhilaration of its vast exultings - days of windy joy, hours of transfigured light.


Kurze Paragraphen, hymnische Anaphern, Wiederholung, Variation – wie ein „Prélude“ von Debussy. Die Komposition ist musikalisch. Der Satzbau ist nicht mehr Walt Whitman. Die Folge von Bildern wird durch Dissonanzen durchsetzt wie im „Bateau Ivre“ von Arthure Rimbaud. Hearn hatte Théophile Gautier übersetzt.

Ohne weiter zu analysieren, hier ein drittes Beispiel. Chitas Vater arbeitet als Arzt in New Orleans, als die Pest ausbricht. Er wird daran sterben, ohne dass ihn seine Tochter erkennt:


. . Eighteen hundred and sixty-seven - midsummer in the pest-smitten city of New Orleans. Heat motionless and ponderous. The steel-blue of the sky bleached from the furnace-circle of the horizon;-the lukewarm river ran yellow and noiseless as a torrent of fluid wax. Even sounds seemed blunted by the heaviness of the air;- the rumbling of wheels, the reverberation of footsteps, fell half-toned upon the ear, like sounds that visit a dozing brain.

Daily, almost at the same hour, the continuous sense of atmospheric oppression became thickened ;-a packed herd of lowbellying clouds lumbered up from the Gulf ; crowded blackly against the sun flickered, thundered, and burst in torrential rain-tepid, perpendicular-and vanished utterly away. Then, more furiously than before, the sun flamed down ;-roofs and pavements steamed ; the streets seemed to smoke; the air grew suffocating with vapor; and the luminous city filled with a faint, sickly odor,-a stale smell, as of dead leaves suddenly disinterred from wet mould,-as of grasses decomposing after a flood. Something saffron speckled the slimy water of the gutters ; sulphur some called it ; others feared even to give it a name ! Was it only the wind-blown pollen of some innocuous plant? I do not know; but to many it seemed as if the Invisible Destruction were scattering visible seed ! . . . Such were the days ; and each day the terror-stricken city offered up its hecatomb to death ; and the faces of all the dead were yellow as flame "DÉCEDÉ-;" "DÉCEDÉE-;" " FALLECIÓ;" Died." . . . On the door-posts, the telegraph-poles, the pillars of verandas, the lamps,-over the government letter-boxes,-everywhere glimmered the white annunciations of death. All the city was spotted with them. And lime was poured into the gutters; and hugepurifying fires were kindled after sunset.

The nights began with a black heat ; there were hours when the acrid air seemed to ferment for stagnation, and to burn the bronchial tubing ;-then, toward morning, it would grow chill with venomous vapors, with morbific dews,-till the sun came up to lift the torpid moisture, and to fill the buildings with oven-glow. And the interminable procession of mourners and hearses and carriages again began to circulate between the centres of life and of death ; - and long trains and steamships rushed from the port, with heavy burden of fugitives. Wealth might flee; yet even in flight there was peril. III.3

Zum Sehen und Hören – bereits kunstvoll komponiert in „Landor’s Cottage“ – treten hier Riechen und Tastsinn – Impressionen steigern zu einem Gefühl von Schwere und Tod. Doch der Zyklus von Sonne und Schatten, Leben und Tod geht weiter.

Stadt und Land kontrastieren rhythmisch und melodisch, aber die Dissonanz aus Haien und Schmetterlingen vom Eingang hält durch. Der symbolische Impressionismus – auch als „Dekadenz“ kritisiert – hat sich in den USA nicht durchsetzen können. Auch begannen wenige Jahre später in Paris Maler, sich Post-Impressionisten zu nennen. Gertrude Stein sollte sich an Braque und Picasso orientieren.

Hinzu kommt die Mehrsprachigkeit. Louisiana, französische Kolonie, von den USA gekauft, von Piraten, Portugiesen, Spaniern, Fischern, Afrikanern, Kariben besiedelt und durch das kreolische linguistisch und sozial gekennzeichnet eignete sich nicht für regionalen Nationalismus oder Lokalkolorit.

There are regions of Louisiana coast whose aspect seems not of the present, but of the immemorial past - of that epoch when low flat reaches of primordial continent first rose into form above a Silurian Sea. To indulge this geologic dream, any fervid and breezeless day there, it is only necessary to ignore the evolutional protests of a few blue asters or a few composite flowers of the caryopsis sort, which contrive to display their rare flashes of color through the general waving of cat-heads, blood-weeds, wild cane, and marsh grasses. For, at a hasty glance, the general appearance of this marsh verdure is vague enough, as it ranges away towards the sand, to convey the idea of amphibious vegetation - a primitive flora as yet undecided whether to retain marine habits and forms, or to assume terrestrial ones; - and the occasional inspection of surprising shapes might strengthen this fancy. Queer flat-lying and many-branching things, which resemble sea-weeds in juiciness and color and consistency, crackle under your feet from time to time; the moist and weighty air seems heated rather from below than from above - less by the sun than by the radiation of a cooling world; and the mists of morning or evening appear to simulate the vapory exhalation of volcanic forces- latent, but only dozing, and uncomfortably close to the surface. And indeed geologists have actually averred that those rare elevations of the soil - which, with their heavy coronets of evergreen foliage, not only look like islands, but are so called in the French nomenclature of the coast - have been prominences created by ancient mud volcanoes. 

Die Interpunktion ist hier kein Versumbruch. Gedankenstriche und Parenthesen dehnen, Komma und Bindestrich beschleunigen. Die Wellen und der Sonnenaufgang in Debussys La Mer. Als Impressionisten sahen sie sich beide: Henry James und Lafcadio Hearn. Beide nutzen eine komplexe Syntax um so etwas wie einen Bewusstseinstrom zu reproduzieren. Henry James diktierte seine letzten Skizzen und Novellen. Der hymnische Ton bei Hearn begleitet eine Bilderflut, nur selten durch Abstrakta punktiert. Aber auch bei ihm scheinen die mündliche Deklamation und das Unbewusste durch. Die Traumdeutung (1901) von Freud sollte ein neues Verständnis für Imagination und Impressionismus im C20 eröffnen.



LONDON 1902

Der erfolgreichste Naturalist der USA wurde Jack London. Er begann als Autodidakt mit Witzen, Kreuzwort-Rätseln, Abenteuergeschichten für Pulps und Kinderzeitschriften. Er lernte schnell professionelle Arbeitstechniken der Kulturindustrie, und erfand eine Plot-Maschine in Verbindung mit einem Zettelkasten von Zeitungsausschnitten für schnelle Kurzgeschichten. Er las Darwin, Spencer und Marx, und mischte Sozialismus mit Sozialdarwinismus. Er kaufte Ideen für Kurzgeschichten von Sinclair Lewis, damals noch ein Student. Er wilderte frei bei Rudyard Kipling. Er verwirrte sich. Und nach 50 Büchern und hunderten von kurzen Texten war er ein vermögender Mann. Er kaufte sich ein teures Boot wie Maupassant.

In Alaska fand er sein erstes großes Thema. Twain und Harte hatten die Goldgräber-Camps von Nevada und Kalifornien erfolgreich zu Parabeln des Konkurrenz-Kapitalismus gemacht. Poe hatte skeptisch den ganzen Goldrausch von 1848 noch als alchemistischen Schwindel verspottet („Van Kempelen“ 1848). In Alaska widerholten sich mit Eis und Schnee der Rausch und die Ernüchterung. Angelockt durch Zeitungsberichte fanden sich viele Schürfer bald in unmenschlichen Arbeitsbedingungen wieder und kehrten krank und arm wieder zurück. So auch Jack London. Das Abenteuer war eine Fehlanzeige.

Aber mit Alaska ließ sich auch als Naturalist Geld machen. Mit Schatzsuche als einer Parabel für Geldgier führte ein weiter Weg seit Poes Bestseller („The Goldbug“ (1843) zu Jack London. Der Naturalismus schrieb die Abenteuergeschichte darwinistisch um. Das Leben eines Individuums zählte nicht, nur das Überleben der Gruppe (population). In „The Law of Life“ (1901) setzt eine junge Indianerin ihren schwachen Großvater den Wölfen aus, die Gruppe muss weiter. Ein Mann macht einen tödlichen Fehler beim Feuer-Anzünden im Schnee („To Build a Fire" 1908). Wer sich nicht anpasst an die Umwelt stirbt an sozialer oder natürlicher Selektion („In Far Country“ 1900). Unter schwersten Umweltbedingungen wird der Mensch wieder zum Tier: ein verhungernder Goldsucher kämpft ums Überleben mit einem Wolf und isst ihn („The Love of Life"). In einem gezähmten Hund erwacht der Wolf als er misshandelt wird: er tötet den Menschen („Batard“ 1904).

Soweit zu Mensch und Umwelt. Weit mehr interessiert London der Konflikt von Zivilisation und Barbarei, vor allem in der Sammlung Children of the Frost (1902). Es geht um die Kolonisierung von Alaska, vor allem der Tinglit im äußersten Norden, nahe der Arktis. Und mehrfach erzählte London die Kolonisierung aus Sicht der Eingeborenen, der Kinder des Frosts. Einen Schlüssel zum Verständnis liefert London mit der Geschichte „The Strength of Strength", eher eine didaktische Erzählung für Jugendliche, in welcher ein alter Höhlenbewohner jungen Männer die Evolution der Menschen aus einer Tierhorde zu zu einem Stamm mit Häuptling und Sklaven erzählt. Frei nach Karl Marx und Herbert Spencer spielen die Arbeitsteilung (Frauen/Männer, Fischer/Sammler oder Ackerbauer) und die Einführung des Privateigentums (Werkzeuge, Grundbesitz, Verstädterung) eine entscheidende Rolle. Die Tlingits, aus deren Sicht die Kolonisierung geschildert wird, praktizierten Gemeineigentum und Potlatch (das Verschenken akkumulierter Gegenstände). Eine geraubte oder erhandelte Decke kann so zu schweren Konflikten im Stamm führen, die auch die Schamanen nicht lösen können („The Master of Mystery“). Der Handel mit Seeleuten aus Kalifornien („The Sunlanders“) führt zu Raubzügen, gegenseitiger Ausrottung, Polygamie und schließlich weiteren Schiffen aus Kalifornien und einer Bergbaugesellschaft, welche den Stamm in Schichtarbeiten beschäftigt und den Häuptling zum Vorarbeiter macht. Alkoholausschank ruiniert ein ganzes Dorf („A Hyperborean Brew"). Das talonische Rechtsystem und die Gesetze der USA stehen sich diametral und unverständlich gegenüber, die Standestraditionen unterliegen in „The League of Old Men“. Goldgräber nehmen sich indianische Frauen, was auch die Rolle der Frauen in beiden Kulturen verändert (der Frauenkauf in "The Marriage of Li-Lit“ (1904). Der Frauenmangel und die Umweltbedingungen verändern auch die Geschlechterrollen. London zeichnete mehrere Portraits von starken Frauen, die sich den Männern ebenbürtig erweisen (“The Unexpected“, „Grit of Women“). Die Kolonisierung konfrontiert Schamanen mit Missionaren und zerstört beide Religionen. In „The God of His Fathers“ zwingt ein Halblut Baptiste den Missionar zuzugeben, dass es keinen Gott gibt. Baptiste kontrolliert den Zugang zum Yukon, wo das Gold liegt. Das Abenteuerschema diente der Kritik am neuen Insel-Imperialismus der USA: von der Karibik über Hawai (die „Sandwich-Islands“ bei Mark Twain) und die Phillipinen bis an die Küsten von Japan und China. Was Walt Whitman 1871 als „Passage to India“ gepriesen hatte (anlässlich des Suez Kanals) ließ sich über den gesamten Pazifik konstruieren. South Sea Tales von Jack London von 1911 korrigierte unter Anderem den kolonialen Irrtum von Columbus, er habe Indien oder „Indianer“ entdeckt.

Viele weitere Geschichten variieren das Abenteuer und diese Themen. Manche davon gehören in die Groschenhefte und sind zu schnell geschrieben. Andere mischen Existenzkampf mit Melodrama. Doch manchmal finden sich auch Beschreibungen der arktischen Schönheit Alaskas (The White Silence" 1900) und deren Zerstörung

Ein indianisches Paar entdeckt ein Goldgräber Camp:

Cabins and men grew more plentiful, till they came to where the main portion of the creek was spread out before them. It was the scene of a vast devastation. Everywhere the earth was torn and rent as though by a Titan’s struggles. Where there was no upthrown mounds of gravel, great holes and trenches yawned, and chasms where the thick rime of the earth had been peeled to bed-rock. There was no worn channel for the creek, and its waters, dammed up, diverted, flying through the air on giddy flumes, trickling into sinks and low places, were raised by huge water-wheels, were used and used again a thousand times. The hills had been stripped of their trees, and their raw sides gored and perforated by great timber-slides and prospect holes. And over all, like a monstrous race of ants, was flung an army of men—mud-covered, dirty, disheveled men, who crawled in and out of the holes of their digging, crept like big bugs along the flumes, and toiled and sweated at the gravel-heaps which they kept in constant unrest—men, as far as they eye could see, even to the rims of the hilltops, digging, tearing, and scouring the face of nature.



„La Wan Dies“ ist vielleicht schnell hingeschrieben (sechs mal was, zweimal were) aber verdeutlicht, wieweit die kapitalistische Entwicklung seit dem ersten Goldrausch sich veränderte. Den Zugang zum Yukon Tal vom Meer kontrollierten die Tlingits, denen London den Band Children of the Forest weitgehend widmete. Die Tlingits lebten vom Fischen und die Verschmutzung der Flüsse zerstörte ihre Lebensgrundlage.

London nutzte Lokalkolorit, ging aber weit über Howells und die vornehme Tradition der Kulturzeitschriften hinaus. Alaska war nur ein weiterer Schritt in der Expansion der USA. 1867 von Russland gekauft, für das neue Empire, es musste es nun auch besiedelt werden. Entdecken-Erobern-Besiedeln. Nicht zufällig zogen viele Kritiker Vergleiche zwischen den Abenteuergeschichten von London und Rudyard Kipling in Indien.

Einen Dschungel konnte man aber auch in den Arbeitervierteln der Hauptstädte finden. How the Other Half Lives (1890) von Jacob August Riis, einem dänischen Einwanderer, hatte gezeigt mit Fotos, wie es dort in New York aussah. Der Essay war so erfolgreich, das er zu einem Buch, einem christlichen Aufruf zur Nächstenliebe und Reform erweitert wurde. Der tragbare neue Fotoapparat von Kodak hatte kurz darauf eine neue Art von Skizzenbuch geschaffen. Auch Jack London wurde zum begeisterten Fotografierer. Statt Zeichnung oder Stichen übernahm nun der Fotoapparat die Illustration von bisher Unsichtbarem. Reiseliteratur hatte schon lange - spätestens seit der Welle des Pittoresken im späten (18 – mit Illustrationen gerechnet (Elsner 1999, 138-61).

London antwortete auf Riis and Crane mit einer verdeckten Reportage über die Elendsviertel in London. Das Skizzenbuch People of the Abyss (1903) stellte das internationale Thema von Irving bis James neu: es verglich Klassen statt Nationen. London verkleidete sich als Hilfsarbeiter, schlief in Obdachlosen-Heimen (workhouses), Mehrbettzimmern oder auf der Straße, trank mit Arbeitern und interviewte arbeitslose Männer und Frauen. Er prangerte Ausbeutung, Überfüllung, Hunger und Gesundheitszustände an und skizzierte gelegentlich, was er aus dem Fenster sieht:



I looked out of the window, which should have commanded the back yards of the neighboring buildings. But there were no back yards, or, rather, they were covered with one-story hovels, cowsheds, in which people lived. The roofs of these hovels were covered with deposits of filth, in some places a couple of feet deep - the contributions from the back windows of the second and third stories. I could make out fish and meat bones, garbage, pestilential rags, old boots, broken earthenware, and all the general refuse of a human sty.



Oder beim Gang durch einen Park nebenan:



We went up the narrow gravelled walk. On the benches on either side was arrayed a mass of miserable and distorted humanity, the sight of which would have impelled Doré to more diabolical flights of fancy than he ever succeeded in achieving. It was a welter of rags and filth, of all manner of loathsome skin diseases, open sores, bruises, grossness, indecency, leering monstrosities, and bestial faces. A chill, raw wind was blowing, and these creatures huddled there in their rags, sleeping for the most part, or trying to sleep. Here were a dozen women, ranging in age from twenty years to seventy. Next a babe, possibly of nine months, lying asleep, flat on the hard bench, with neither pillow nor covering, nor with any one looking after it. Next, half a dozen men, sleeping bolt upright or leaning against one another in their sleep.



Oder einen Streit betrunkener Frauen unter seinem Fenster, den er direkt in die Maschine schreibt (im Kap. 5). Dies sind Dialekt-Skizzen ganz anderer Art.



Drunken women fighting! It is not nice to think of; it is far worse to listen to. Something like this it runs:-

Incoherent babble, shrieked at the top of the lungs of several
women; a lull, in which is heard a child crying and a young girl's
voice pleading tearfully; a woman's voice rises, harsh and grating,
'You 'it me! Jest you 'it me!' then, swat! challenge accepted and
fight rages afresh.

The back windows of the houses commanding the scene are lined with
enthusiastic spectators, and the sound of blows and of oaths that make
one's blood run cold, are borne to my ears.

A lull; 'You let that child alone!' child evidently of few years,
screaming in downright terror; 'Awright,' repeated insistently and
at top pitch twenty times straight running; 'You'll git this rock on
the 'ead!' and then rock evidently on the head from the shriek that
goes up.

A lull; apparently one combatant temporarily disabled and being
resuscitated; child's voice audible again, but now sunk to a lower
note of terror and growing exhaustion.

Voices begin to go up the scale, something like this:-

'Yes?'

'Yes!'

'Yes?'

'Yes!'

'Yes?'

'Yes!'

'Yes?'

'Yes!'

Sufficient affirmation on both sides, conflict again precipitated.
One combatant gets overwhelming advantage, and follows it up from
the way other combatant screams bloody murder. Bloody murder gurgles
and dies out, undoubtedly throttled by a strangle hold.

Entrance of new voices; a flank attack; strangle hold suddenly
broken from way bloody murder goes up half an octave higher than
before; general hullaballoo, everybody fighting.

Lull; new voice, young girl's, 'I'm goin' ter tyke my mother's
part'; dialogue, repeated about five times, 'I'll do as I like,
blankety, blank, blank!' 'I'd like ter see yer, blankety, blank,
blank!' renewed conflict, mothers, daughters, everybody, during
which my landlady calls her young daughter in from the back steps,
while I wonder what will be the effect of all that she has heard
upon her moral fibre.


Die Schimpfwörter mussten getilgt werden. Erst James T. Farrell und Nelson Algren gingen weiter in der Wiedergabe der Sprache in den Slums. Ein voller Durchbruch der Zensur geschah erst mit den Prozessen um Naked Lunch (1959).

Ein Gegenstück zur Großstadt ist The Road (1907), ein Buch aus neun Skizzen aus das Hobo-Leben von Jack London (1892-94), welches das Thema der offenen Straße - vor der Ankunft des Autos - in der US Literatur des 20c begründete. Ein älteres Thema war die Hauptstraße durchs Dorf (seit Mitford) bis hin zur Kleinstadt, definiert bei Sinclair Lewis in Main Street, karikiert in Disneyland. Eine anderes war die offene Straße zwischen den Städten, die Welt der Vagabunden, die Hobos, die Landstreicher. Hawthorne hatte sie mit „The Seven Vagabonds" (1836) eingeführt. Seine Dialoge zwischen den beiden Vagabunden lesen sich eher wie theologische Dispute. London nutzte Schienenstrang und Güterzüge; er täuschte die Bremser und die Polizei, endete im Gefängnis, lieferte sich Wettfahrten mit anderen von Küste zu Küste, suchte ‚Skysail Jack‘, eine Legende unter den Hobos. Alles aus Abenteuerlust, also eine neue Variante der Abenteuererzählung. Entscheidend für London war der Stern-Marsch von Coxeys „Armee“ auf Washington 1894. Im Jahr zuvor war eine der zyklischen Wirtschaftskrisen des Kapitalismus ausgebrochen, und der Marsch der Arbeitslosen, hier der populistische Zubringer aus dem Westen per Zug, machte Jack London zum Sozialisten. „Hoboes that pass in the Night“ skizziert flüchtige Begegnungen, wie „Two Thousand Stiffs“ auch.

London füllte sein Notizbuch mit Namen und Inschriften:



A favorite device of hoboes is to base their monicas on the localities from which they hail, as: New York Tommy, Pacific Slim, Buffalo Smithy, Canton Tim, Pittsburg Jack, Syracuse Shine, Troy Mickey, K. L. Bill, and Connecticut Jimmy. Thenthere was "Slim Jim from Vinegar Hill, who never worked and never will." A "shine" is always a negro, so called, possibly, from the high lights on his countenance. Texas Shine or Toledo Shine convey both race and nativity.

On the water-tank at San Marcial, New Mexico, a dozen years ago, was the following hobo bill of fare: — (I) Main-drag fair. (2) Bulls not hostile. (3) Round-house good for kipping. (4) North-bound trains no good. (5) Privates no good. (6) Restaurants good for cooks only. (7) Railroad House good for night-work only.

Number one conveys the information that begging for money on the main street is fair; number two, that the police will not bother hoboes; number three, that one can sleep in the round - house. Number four, however, is ambiguous. The north-bound trains may be no good to beat, and they may be no good to beg. Number five means that the residences are not good to beg - gars, and number six means that only hoboes that have been cooks can get grub from the restaurants. Number seven both-ers me. I cannot make out whether the Railroad House is a good place for any hobo to beg at night, or whether it is good only for hobo-cooks to beg at night, or whether any hobo, cook or non-cook, can lend a hand at night, helping the cooks of the Railroad House with their dirty work and getting something to eat in payment.

Einige der Slang Wörter wurden Teil der amerikanischen Sprache.

Nach 1907 milderte London die naturalistischen Details und übertrug seine Abenteuerformeln schier endlos in South Sea Tales (1911) und On the Makaloa Mat (1919). Er leistete weiter einige Beiträge zum Science-Fiction Genre zur sozialen Evolution, die heute noch gelesen werden.

"The Unparalleled Invasion" (1910) sagte eine biologische Kriegsführung der USA gegen China voraus, welche sich dann unerwartet weltweit verbreitet. Sieben Jahre vor der Pandemie von 1917. 110 Jahre vor Donald Trump. "The Dream of Debs" (1909) schildert einen erfolgreichen Generalstreik der Gewerkschaften aus Sicht eines Kapitalisten. "The Minions of Midas" (1901) schildert die Machenschaften einer Terrorismusgruppe, welche durch erpresserische Morde gegen den Kapitalismus kämpft. Die Pulp Magazine der 20er und 30er Jahre blieben eher innerhalb der bewährten Formel vom imperialen Abenteuer und blieben eher reaktionär, offen rassistisch und ab 1935 auch kriegstreibend gegen Asiaten. In den vierziger Jahren fanden sich immer häufiger Anzeigen der Marine und der Armee. Das Militär suchte Nachwuchs.














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